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«Bargeflüster» in Island
Aus Echo der Zeit vom 04.12.2018. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 37 Sekunden.

Rassismus und Sexismus Isländische Politiker bringen die Volksseele zum Kochen

Im Inselstaat sorgt eine alkoholisierte Bar-Runde von sechs Parlamentariern für einen Skandal. Ihr Geläster wurde öffentlich.

In der isländischen Hauptstadt wird an Wochenenden kräftig gebechert. Noch morgens um fünf Uhr sind im Zentrum von Reykjavik Tausende von Menschen unterwegs, die feiern, trinken, und nicht selten auch kräftig lästern.

So auch am letzten Freitag in der Klosterbar am Parlamentsplatz. Sechs gewählte Volksvertreter, darunter ein ehemaliger Ministerpräsident und ein früherer Aussenminister, genehmigten sich eine Nacht lang grosszügig Bier, Wein und Schnaps.

Das Gespräch drehte sich dabei um andere, vor allem weibliche Parteikolleginnen und Abgeordnete. Ein Mann am Nebentisch hörte den Sechs zunächst ungläubig zu – und zeichnete ihr Gespräch dann insgeheim auf.

Herablassend, rassistisch, sexistisch

Der Mann am Nebentisch war geschockt. Eben hatte er einen tiefen Einblick in die Abgründe der isländischen Politikerseelen erhalten. Er schickte die Aufnahme an eine Zeitung, welche die Unterhaltung transkribierte und veröffentlichte.

Nun stand ganz Island unter Schock. Denn in den stundenlangen Tiraden äusserten sich die Volksvertreter in explizit herablassendem, sexistischem und rassistischem Ton über Kolleginnen in den eigenen und anderen Parteien.

Eine im Rollstuhl sitzende Abgeordnete wurde als «stöhnende Robbe» bezeichnet. Andere Politikerinnen als «hässliche Schlampen».

Ex-Premier fällt besonders negativ auf

Als besonders herablassend zeigte sich in dem Bar-Gespräch der frühere Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson. Er musste vor zwei Jahren nach einem anderen Skandal zurücktreten, als ihm vor laufender Kamera geheime Konten in einem karibischen Steuerparadies nachgewiesen worden waren.

Gunnlaugsson steigt aus einem Auto, er grinst und ist von Journalisten mit Mikrofonen umringt.
Legende: Ex-Premier Sigmundur David Gunnlaugsson fiel mit besonders herablassenden Äusserungen auf. Reuters Archiv

Gunnlaugssons damaliger Regierungskollege Gunnar Bragi Sveinsson hatte sich als isländischer Aussenminister international einen Namen als Vorkämpfer für die Gleichberechtigung und gegen den Sexismus gemacht. In der Klosterbar offenbarten die beiden aber eine ganz andere Seite.

«Dieses Politikerpack muss weg»

Die isländische Bevölkerung, die in den letzten zehn Jahren immer wieder auf die Strasse gegangen ist, reagierte umgehend. Tausende von Menschen demonstrierten in den letzten Tagen vor dem Parlament – sie fordern den Rücktritt der sechs Politiker. «Wir können das nicht mehr hinnehmen», sagte eine Frau auf der Demo. «Dieses scheinheilige und bösartige Politikerpack muss weg.»

Im Parlament verlas der Vorsitzende Steingrimur Sigurdsson am Montag bei der Sessionseröffnung eine scharfe Erklärung. Darin entschuldigte er sich bei den in ihrer Ehre verletzten Kolleginnen in aller Form. Auch kündigte er Disziplinarmassnahmen an.

Gunnlaugsson zeigt sich uneinsichtig

Vier Abgeordnete aus der Bar-Runde haben unterdessen angekündigt, eine Auszeit zu nehmen und vorläufig nicht mehr im Parlament und der Öffentlichkeit zu erscheinen. Der frühere Regierungschef Gunnlaugsson jedoch ist sich keiner Schuld bewusst.

Er bezeichnet den geheimen Mitschnitt als den eigentlichen Skandal. Die veröffentlichten Aussagen seien zudem einfach ein Missverständnis. Er habe es gar nicht so gemeint, betonte Gunnlaugsson im isländischen Fernsehen.

Ob die angeschlagene politische Elite Islands die Wut der Bürgerinnen und Bürger erneut aussitzen kann, wird sich zeigen. Sicher aber wird in den Reykjaviker Kneipen auch am nächsten Wochenende kräftig gefeiert werden – vielleicht aber für einmal ohne gewählte Volksvertreter.

Ältestes Parlament der Welt

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Island ist ein kleines Land mit wenig Menschen und dem ältesten Parlament der Welt – dem über 1000 Jahre alten Allthingi. Wiederholt haben vor allem die ehrenwerten Herren in diesem hohen Haus in Reykjavik für Skandale gesorgt – so etwa im Zuge der grossen Finanzkrise vor einem Jahrzehnt oder den Enthüllungen durch die sogenannten Panama Papers.

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