Es sieht ganz danach aus, als würde die hindu-nationalistische Regierung von Narendra Modi einen Rachefeldzug gegen den britischen Sender BBC durchführen.
Modi nimmt der BBC offensichtlich übel, dass sie ihm (unter Berufung auf einen Regierungsbericht) eine aktive Mitschuld an den blutigen Tumulten im Bundesstaat Gujarat vor gut 20 Jahren gibt. Damals kamen mehr als 1000 Menschen ums Leben – überwiegend Muslime. Regierungschef von Gujarat war Narendra Modi. Das oberste Gericht Indiens sprach ihn mangels Beweisen zwar frei. Doch nach der BBC-Dokumentation flammt die Debatte erneut auf.
Der jetzige Premierminister reagierte mit aller Härte: Unter Berufung auf Notrecht verbot seine Regierung Twitter und Youtube, Ausschnitte aus der BBC-Serie zu veröffentlichen. Die Dokumentation sei feindliche Propaganda und anti-indischer Müll. Die Opposition sprach damals von Zensur. Auch der Oberste Gerichtshof missbilligte das Verbot.
Kritiker sehen Indiens Demokratie in Gefahr
Modi, Regierungschef der nach Eigenwerbung «grössten Demokratie der Welt», hat offensichtlich ein Problem mit freien Medien. Auch andere kritische Publikationen wie die Internet-Zeitung «The Quint» oder «Newslaundry» bekamen bereits Besuch von Steuerprüfern, ebenso NGOs wie Oxfam Indien. Mit der BBC trifft es nun zum ersten Mal ein mächtiges ausländisches Medium. Es soll wohl als Warnschuss verstanden werden.
Die BBC teilte jedenfalls mit, sie werde voll kooperieren und hoffe, die Sache bald aus der Welt zu schaffen. Doch selbst, wenn die Steuerprüfer am Ende nichts finden: Beim nächsten Bericht besteht die Gefahr, dass die Journalisten noch genauer überlegen, was sie publizieren. Und genau das ist das Ziel.
Kritik an dem Vorgehen kam heute nicht nur von der Opposition, sondern auch vom indischen Verleger-Verband, der die konstitutionelle Demokratie in Gefahr sieht.
Schuss könnte nach hinten losgehen
Doch das scheint Modi in Kauf zu nehmen: Im Jahr der indischen G20-Präsidentschaft, die Modi zur ganzjährigen Indien-Show umfunktioniert, und ein Jahr vor der nächsten nationalen Wahl, kann er keine Kritik gebrauchen. Bei dem grossen Plan, Indien und seinem Regierungschef eine wachsende Rolle auf der Weltbühne zu verschaffen, soll nichts dazwischen kommen.
Doch der Versuch, unliebsame Berichterstatter zum Schweigen zu bringen, könnte misslingen. Nach dem Verbot der BBC-Serie auf Twitter und Youtube wurden illegale Kopien in den sozialen Medien erst recht verbreitet – und die dünnhäutige Reaktion des Regierungschefs erst recht diskutiert.