Wer in Deutschland als Journalist über die rechte Szene berichtet, braucht ein dickes Fell. Lügenpresse ist etwas vom Harmloseren, was sich Medienschaffende oft anhören müssen. Die Stimmung bei Kundgebungen der NPD oder rechten Rockkonzerten ist aggressiv aufgeladen, strotzend vor völkischer Männlichkeit, geprägt von Anführern wie Thorsten Heise.
Gut hinhören, Presse! Der Revolver ist schon geladen!
Mehrfach vorbestraft wegen diverser Delikte, manche davon gewalttätig, wählt Heise seine Worte auf den Bühnen der NPD schlau, um juristisch möglichst nicht belangbar Angst und Schrecken zu verbreiten. Seine Reden beginnen harmlos, bis er den Zeigefinger gen Horizont richtet, seine Stimme hebt und schreit: «Gut hinhören, Presse! Der Revolver ist schon geladen!»
Gemeint sind Journalistinnen und Journalisten, «Journaille» wie sie Heise gerne pauschal zusammenfasst oder verächtlich gleichsetzt mit Tick, Trick und Track von Walt Disney. Ihm scheint entgangen, dass die drei Erpel die schlausten Figuren der «Lustigen Taschenbücher» sind.
Nur meint es Heise nicht lustig. Er meint es ernst. Mit einem Journalisten der öffentlich-rechtlichen ARD zum Beispiel. Der Reporter wurde von Heise mehrfach diffamiert. Nicht etwa, weil er inhaltliche Fehler gemacht hätte, nein: Heise spielt ausschliesslich auf den Mann. Es geht um Einschüchterung.
Journalist am Pranger der NPD
Der Recherche-Journalist hatte einen SS-Kriegsverbrecher ausfindig gemacht und mit der Fernsehkamera besucht. Dieser gab bereitwillig ein Interview, relativierte den Holocaust, bereute nichts – auch nicht seine Beteiligung an einem Massaker in Frankreich – und prahlte mit NPD-Fans, die sich nach seinen Autogrammen rissen.
Viele Journalisten, die über die rechte Szene berichten, überlegen es sich zweimal, ob sie sich mit solchen Typen anlegen wollen.
Mit dem Interview wurde der Journalist zum Feindbild der NPD. Seither stellt ihn Heise immer wieder an den Pranger, beleidigt ihn öffentlich, organisiert gar eine Demonstration gegen ihn persönlich.
«Viele Journalisten, die über die rechte Szene berichten, überlegen es sich zweimal, ob sie sich mit solchen Typen anlegen wollen», sagt Kira Ayyadi von der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin. Für die gemeinnützige Stiftung beschäftigt sich Ayyadi mit rechtsextremistischen Netzwerken und deren Taten. Die Szene hält sie für «brandgefährlich».
12'000 gewaltbereite Rechtsextreme in Deutschland
Der Mord an Walter Lübcke, dem CDU-Regierungspräsidenten in Hessen, und die Morde in Halle, als ein Neo-Nazi in einer Synagoge ein Massaker plante und zwei Menschen tötete, liegen wenige Monate zurück. Beides rechte Gewaltverbrechen, beide mit Ankündigung.
Henrik Merker recherchiert als Autor für «Zeit Online» über die rechtsextreme Szene in Deutschland. Indem er Demokratiefeinde im Auge habe, leiste er seinen Beitrag zur Demokratie. Vor allem die Arbeit jener Kollegen, die Teilnehmer von Neo-Nazi-Veranstaltungen fotografieren und ihre Netzwerke dokumentieren, hält Merker für sehr wichtig.
Merker wehrte sich gegen die geplante NPD-Demo, rief öffentlich zu Solidarität auf – dies sei eine Möglichkeit, Position zu beziehen, sagt er. Hunderte Journalistinnen und diverse Redaktionen unterzeichneten seinen Aufruf. Sie fordern besseren Schutz für Privatadressen von Journalisten und ein Umdenken bei der Polizei.
«Es geht darum, die Szene zu beobachten», sagt Ayyadi. 12´000 gewaltbereite Rechtsextreme gibt es in Deutschland. Offiziell. Die Gefahr ist nicht abstrakt, sie ist real. Umso wichtiger, dass darüber berichtet wird.