«Übelste, widerwärtigste, neonazistische, flüchtlingsfeindliche Hetze»: So formuliert Herbert Reul, Innenminister aus Nordrhein-Westfalen, den Inhalt der Chats, denen eine Gruppe von fast 30 Polizisten angehört haben soll. Herbert Reul wählt klare Worte: «Das ist eine Schande für unsere Polizei».
Fantasien von vergasten Flüchtlingen
Der Fall, sollte sich der Verdacht erhärten, ist tatsächlich krass: Eine ganze Polizeiwache scheint unterwandert gewesen zu sein von Rechtsextremen, die sich mit «Heil» grüssten und Fantasien von vergasten Flüchtlingen teilten. 14 von ihnen sollen aus dem Dienst entfernt werden, suspendiert wurden sie erstmal alle.
Die Nachricht reiht sich ein in ein beunruhigendes Gesamtbild: Die Meldungen über rechtsextreme Polizisten scheinen sich zu häufen. Besonders viele Fälle wurden in Hessen bekannt, aber auch in Sachsen-Anhalt, Thüringen oder Bayern gab es mehrere. Nordrhein-Westfalen bildet da keine Ausnahme.
Um nur ein Beispiel zu nennen: Seit Jahren treibt eine Gruppe ihr Unwesen, die sich «NSU 2.0» nennt und Drohmails verschickt mit Informationen, die von Polizeicomputern stammen. Die Gruppe bezieht sich auf den sogenannten nationalsozialistischen Untergrund NSU – gewalttätige Neonazis, die in den 2000ern zehn Menschen ermordeten. Die Opfer hatten fast alle einen Migrationshintergrund.
Keine Einzelfälle
Hinter «NSU 2.0» sollen laut Ermittlern vier Polizisten aus Norddeutschland stecken, aber auch Trittbrettfahrer sprangen auf den NSU-Zug auf. Bis jetzt ist die Sache ungeklärt.
Selbst der Chef des deutschen Verfassungsschutzes Thomas Haldenwang mag nicht mehr von «Einzelfällen» sprechen: «Aus meiner Wahrnehmung sind das zu viele Einzelfälle, als dass man sie nicht doch einmal in ihrer Gesamtheit betrachten muss und schauen muss: Gibt es da Netzwerke?»
Abbild der Gesellschaft
Die Polizei ist nicht mehr als ein Abbild der Gesellschaft, die sie vertritt. Ein Viertel aller Deutschen beispielsweise haben einen Hang zum Antisemitismus, warum also sollten ausgerechnet Polizisten frei davon sein? Und dass sich Menschen mit rechtsautoritärer Gesinnung zu einem Beruf in Uniform und mit staatlichem Gewaltmonopol hingezogen fühlen, scheint wenig abwegig.
Aber gerade wegen des staatlichen Gewaltmonopols müssen an die Verfassungs- und Demokratietreue der Polizei andere Massstäbe angelegt werden als bei anderen, genauso wie einem Pfarrer der aussereheliche Seitensprung oder dem nationalkonservativen Politiker die schwarz beschäftigte, ausländische Hausangestellte weniger verziehen wird als anderen.
Wenn die Unlauteren laut werden
Umso wichtiger, dass Verstösse gegen die zu Recht hohen Integritätsansprüche bei der Polizei konsequent geahndet oder – noch besser – möglichst verhindert werden. In NRW kündigte Innenminister Reul an, einen Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der nordrhein-westfälischen Polizei zu berufen, um ein Lagebild zu erstellen und ein Konzept zur Früherkennung. Andere Bundesländer haben bereits ähnliche Positionen geschaffen.
Nicht ganz ins Bild passen will da Horst Seehofers umstrittene Entscheidung, eine geplante Untersuchung zu strukturellem Rassismus bei der Polizei wieder abzublasen. Ein Generalverdacht ist sicherlich kontraproduktiv. Aber wenn die Unlauteren laut werden, vergiften sie das Klima und das Problem wird tatsächlich strukturell.