Solidarität bei der Verteidigung. In ihrer Rede vor dem EU-Parlament spricht sich die deutsche Bundeskanzlerin für eine gemeinsame europäische Armee aus. Diese würde garantieren, «dass es zwischen europäischen Ländern nie wieder Krieg gibt». Merkel stellt sich damit hinter ihren französischen Amtskollegen Emmanuel Macron, der eine solche europäische Armee bereits vor zwei Tagen forderte. Laut Merkel richtet sich eine solche Armee nicht gegen die Nato, man soll im Gegenteil innerhalb der Nato gemeinsam auftreten.
Solidarität in den Köpfen. Gekleidet in EU-blau, betonte Merkel immer wieder, dass der europäische Zusammenhalt so wichtig sei wie nie. Man müsse die Interessen und Bedürfnisse des Anderen als die eigenen ansehen. Nur gemeinsam habe man gegenüber Drittstaaten eine starke Verhandlungsposition. Sie spielte implizit auf das angespannte Verhältnis zwischen Europa und den USA an: «Alte Verbündete stellen bewährte Allianzen in Frage.» Die Zeiten, in denen man sich vorbehaltlos auf andere verlassen konnte, die seien vorbei. Deshalb müsse man zusammenhalten. «Toleranz ist die Seele Europas», so Merkel.
Solidarität beim Recht. «Wer rechtsstaatliche Prinzipien in seinem Land aushöhlt, der gefährdet die Rechtsstaatlichkeit in ganz Europa.» Mit diesen Worten richtete sich die deutsche Bundeskanzlerin an mehrere EU-Länder, in denen die Justiz unter Druck geriet. Sie nannte zwar keine Namen, doch gegen Ungarn und Polen zum Beispiel laufen EU-Sanktionsverfahren wegen mutmasslicher Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten. «Europa kann nur als Rechtsgemeinschaft funktionieren, wenn das Recht überall geachtet wird», so Merkel.
Solidarität bei der Migration. Auch in der Migrationsfrage brauche es eine gemeinsame Strategie. Sie wisse, Deutschland habe sich in dieser Frage nicht immer tadellos verhalten, meinte Merkel selbstkritisch. «Deutschland hat viel zu lange gebraucht, um die Flüchtlingsfrage als Frage aller europäischen Mitgliedsstaaten anzunehmen», sagte Merkel vor den EU-Parlamentariern. Sie sprach damit Deutschlands Reaktion auf die Flüchtlingswelle im Jahr 2015 an, als sie sich mit den Worten «Wir schaffen das!» für die grosszügige Aufnahme von Flüchtlingen aussprach.
Solidarität bei den Finanzen. Angela Merkel kritisierte nationale Alleingänge bei der Aufnahme von Schulden. «Unsere gemeinsame Währung kann nur funktionieren, wenn jedes einzelne Mitglied seine Verantwortung für tragfähige Finanzen auch zu Hause erfüllt.» Merkel erwähnte zwar nicht explizit, welches Land sie damit meinte, doch aktuell befindet sich die EU in einem Haushaltsstreit mit Italien. Italien will sich trotz riesigem Schuldenberg im nächsten Jahr noch weiter verschulden. Die EU-Kommission hatte diesen Budgetentwurf abgelehnt.
Keine Solidarität von rechts. Neben viel Applaus erntete Merkels Rede im EU-Parlament auch Buhrufe. Nach Angaben von Abgeordneten kamen dieser Protest überwiegend von rechtsextremen Parlamentariern. Aber auch Abgeordnete der EU-kritischen britischen UKIP hätten sich beteiligt. Die Kanzlerin reagierte cool: «Ich freu mich darüber und lass mich nicht irritieren.» Sie kenne das, auch sie habe Parlamentserfahrung.