- Gut zwei Monate nach der Neuwahl des spanischen Parlaments ist der konservative Oppositionsführer, Alberto Núñez Feijóo, mit einem ersten Versuch zur Regierungsbildung gescheitert.
- Seine Kandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten wurde heute vom Unterhaus in Madrid mit 178 zu 172 Stimmen abgelehnt.
- Am Freitag hat der 62-Jährige eine neue Chance zur Ablösung des geschäftsführenden linken Regierungschefs Pedro Sánchez.
Aber auch im zweiten Wahlgang, wo er nur eine einfache Mehrheit benötigt, hat er kaum Aussichten auf Erfolg. Es wird erwartet, dass nach Feijóo auch der seit 2018 regierende Sánchez einen Versuch unternimmt.
Die Volkspartei (PP) von Feijóo hatte die Wahl am 23. Juli vor den Sozialisten (PSOE) von Sánchez gewonnen. Da aber keine der beiden Parteien zunächst ausreichende Unterstützung anderer Gruppierungen zur Bildung einer regierungsfähigen Mehrheit bekam, hatte König Felipe VI. beschlossen, dass der Wahlsieger sich als Erster bewerben darf.
Unterstützung der Vox kostet Feijóo wertvolle Stimmen
Die Unterstützung der Vox kostete Feijóo Stimmen von anderen Parteien. Denn zum einen will die Vox die Macht nach Madrid verlagern. Das ist vielen kleineren Parteien, die Regionen vertreten, ein Dorn im Auge. Zum anderen ist das rechtspopulistische Parteiprogramm für viele Parteien ein No-Go.
Der Sprecher der konservativen baskischen Partei (PNV), Aitor Esteban, sagte heute, die PP müsse die 33 Stimmen der Vox loswerden, wenn sie die Unterstützung der PNV wollen. Er würde lieber eine mögliche Amnestie für die katalanischen Separatisten unterstützen, als eine Koalition der PP und der Vox. Nur zwei kleine konservative Regionalparteien votierten ungeachtet der «gemeinsamen Sache» mit Vox mit je einer Stimme für Feijóo.
Ist eine Neuauflage Sanchez möglich?
Eine «grosse Koalition» zwischen PP und PSOE gilt in Spanien als ausgeschlossen, da die beiden Traditionsparteien ideologisch viel weiter voneinander entfernt sind als etwa ihre deutschen Schwesterparteien CDU und SPD. Deshalb heisst es jetzt für Spanien wohl: Neuauflage Sánchez oder monatelange Blockade.
Dem Sozialisten werden zwar bessere Chancen als seinem konservativen Rivalen Feijóo eingeräumt. Ausser den Stimmen des Linksbündnisses Sumar und kleinerer Regionalparteien benötigt Sánchez aber auch Abkommen mit den katalanischen Parteien: mit der linken ERC des katalanischen Regierungschefs, Pere Aragonès, sowie der Partei Junts des in Belgien im Exil lebenden Separatistenführers und spanischen Justizflüchtlings, Carles Puigdemont. Beide Parteien streben die Unabhängigkeit Kataloniens an.
Für ihre Unterstützung einer linken Regierung fordern sie unter anderem eine Amnestie für jene «Catalanistas», die an dem gescheiterten Abspaltungsversuch von 2017 teilnahmen. Sanchez hat sich bisher nicht dazu geäussert. Er sagt lediglich, er möchte die Spannungen, die in den letzten Jahren abgenommen hätten, weiter normalisieren.
Die Uhr tickt
Die Pleite hat Folgen: Mit der ersten abgeschmetterten Bewerbung wurde gemäss Verfassung der Countdown zu Neuwahlen eingeläutet. Der Druck wächst. Wenn innerhalb von zwei Monaten, bis zum 27. November also, kein Regierungschef gefunden wird, müssten die Spanierinnen und Spanier am 14. Januar erneut zu den Urnen.
Es droht nicht nur eine innenpolitische Blockade. Damit würde auch die gesamte EU-Ratspräsidentschaft Spaniens bis zum 31. Dezember von der politischen Ungewissheit in der viertgrössten Volkswirtschaft der Eurozone überschattet.