Praktisch von null auf hundert hat es den 54-jährigen Rechtsprofessor Giuseppe Conte in Italien aufs politische Parkett gespült. Der designierte neue Regierungschef ist daran, eine Regierung aus der rechten Lega und der Fünf-Sterne-Bewegung zu bilden.
Das heisst auch, dass der bisherige Regierungschef Paolo Gentiloni vom sozialdemokratischen Partito Democratico seinen Sitz räumen wird. Anderthalb Jahre hat er Italien mit Umsicht regiert. Trotzdem kam das Land auch unter Gentiloni nie richtig aus der Krise heraus.
Das Problem mit den Flüchtlingen
Anders als Giuseppe Conte hatte Gentiloni viel Erfahrung, als er 2016 Premier wurde. Gentiloni war zuvor ein sehr aktiver, erfolgreicher Aussenminister. Seine Regierungszeit bleibt darum auch zuerst wegen seiner Aussenpolitik in Erinnerung, konkret wegen seiner Migrationspolitik: «Wir Italiener retten Flüchtlinge im Mittelmeer.» Darauf verweist Italien gern, stolz und zu Recht.
Trotzdem sind die Flüchtlinge eine Last für Italien. Gentiloni und sein Innenminister Marco Minniti setzten alles daran, wichtige Akteure in Libyen davon zu überzeugen, die Fluchtbewegung zu bremsen, die Migranten an der Weiterreise zu hindern.
Das funktionierte. Fast über Nacht kamen deutlich weniger Flüchtlinge übers Mittelmeer, aber in Libyen stecken nun Hunderttausende fest, in Lagern, unter unmenschlichen Bedingungen.
Gesellschaftliche Modernisierung
Die sozialdemokratische Regierung Gentiloni und die seines Vorgängers Matteo Renzi haben Italien verändert, vor allem in gesellschaftlichen Fragen: «Eine Medaille, das heisst Lorbeeren, hat man sich geholt mit der Einführung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Und mit der Patientenverfügung», so Gentiloni.
Es war ihm ein Anliegen, dass Patienten an ihrem Lebensende auf Therapien verzichten können. Das war vorher im katholischen Italien nicht möglich.
Es wurde nicht wirklich besser
Trotz deutlich weniger Migranten und zusätzlicher Rechte für Bürgerinnen und Bürger hat Gentilonis Partei, der sozialdemokratische Partito Democratico, die Wahl im März krachend verloren. Gentiloni hat kurz vor der Wahl eingeräumt, dass grosse Probleme geblieben seien: «Zu wenig Arbeit, der Service public funktioniert nicht, zu hohe Steuern, prekäre Arbeitsverhältnisse.» Die Liste der italienischen Probleme ist auch unter Gentiloni lang geblieben.
Zwar wächst Italiens Wirtschaft wieder, aber nur bescheiden, weniger als im europäischen Vergleich. Darum bleibt die Geburtenrate tief. Noch nie, nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs, kamen in Italien so wenige Kinder zur Welt. Und eines von zehn italienischen Kindern lebt in Armut.
Gentiloni hat allgemeine Sozialhilfe eingeführt
Gentiloni hat darauf reagiert und erstmals eine allgemeine Sozialhilfe eingeführt. Doch die ist mit monatlich 170 Euro für eine alleinstehende Person nicht mehr als ein kleiner Zustupf.
Viele linke Wähler wandten sich enttäuscht ab und den Protestparteien, dem Movimento Cinque Stelle und der Lega, zu. Es sind diese Wahlgewinner, die nun gemeinsam die Regierung bilden.