Die Lautsprecher scheppern, der Sommerhit ist zwanzig Jahre alt, aber er passt: «We're going to Ibiza» ist dieser Tage die hämische Hymne der linken Opposition in Österreich.
Wohl einige Tausend sind es diesmal beim Wiener Westbahnhof an der Donnerstagsdemo, die jede Woche stattfindet, seit Kanzler Kurz den Pakt mit den umstrittenen Freiheitlichen geschlossen hatte. Jetzt sind die Freiheitlichen zwar weg, aber für die zumeist jungen Demonstranten aus der linken Szene ist klar auch Kurz muss weg.
Kurze Kanzlerschaft für Kurz?
«Kurz muss weg», oder «Das war kurz» steht auch auf Transparenten. Die Begründung für diese Forderungen ist einfach: mitgegangen, mitgehangen, mitgefangen.
«Der Hauptverantwortliche für diese Situation ist Kurz. Er sollte auch zurücktreten», sagt ein Demonstrant. Kanzler Kurz hatte schliesslich die Freiheitlichen in die Regierung geholt.
Jetzt hoffen die Kurz-Gegner, dass er bald gestürzt wird. Am Montag gibt es im Parlament eine Vertrauensabstimmung.
Nicht alle wollen Kurz loswerden
Eine andere Szene findet fast gleichzeitig statt. Vom Westbahnhof gehts in den Süden der Stadt. Hier an der grossen Strasse durchs Stadtviertel Simmering sagt Wolfgang Kiesling zu den Gegnern von Kanzler Kurz: «Denen kann ich nur entgegnen, dass es um die Stabilität Österreichs geht. Dementsprechend sollte diese Regierung bis zur Wahl im September die Geschäfte fortführen.»
Kiesling ist lokaler ÖVP-Chef und macht hier für die Kurz-Partei Europawahlkampf.
Zwei Dutzend Volkspartei-Mitglieder in Windjacken in der Parteifarbe türkis schreiten in schnellem Schritt das Trottoir der breiten Strasse entlang. Sie verteilen den entgegenkommenden Fussgängern Flyer, Schokolade und Bonbons.
Edtstadler will ins EU-Parlament
Hauptfigur ist Karoline Edtstadler, die Nummer zwei im österreichischen Innenministerium. Sie will am Sonntag ins EU-Parlament gewählt werden. Aber der Wahlkampf ist überschattet von Ibiza: «Ich habe mit jemandem auf der Strasse gesprochen und habe gesagt, er solle nicht alle Politiker über einen Kamm scheren. Es sind nicht alle so, wie es in dem Video herausgekommen ist.» Es gelte nun, das Vertrauen zurückzugewinnen.
Ob aber Kanzler Kurz am Montag das Vertrauen vom Parlament gewinnt, da wagt auch Staatsekretärin Edtstadler, wie fast alle in diesen Tagen, keine Prognose. Klar herauszuhören ist dagegen bei vielen Österreicherinnen und Österreichern dieser Wunsch: Es soll bald geordnete Verhältnisse geben, wie ein Demonstrant sagt.