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Regionalwahlen in Sizilien Sizilien als Spiegelbild Italiens

In Sizilien wird gewählt. Es ist der letzte Test vor den nationalen Wahlen. Die Insel kämpft mit sich selbst.

Siziliens Probleme scheinen beinahe unlösbar. Bei den jungen Erwachsenen zum Beispiel liegt die Arbeitslosigkeit bei rekordhohen 57 Prozent. Warum gibt es keine Jobs? «Es fehlt an Neugründungen von Unternehmen. Das ist ein Problem, das ganz Süditalien betrifft», sagt SRF-Korrespondent Philipp Zahn. Und weil die alten Industrien darben, gibt es für die Jungen deshalb oft nur eine Alternative: Auswandern.

Sizilien müsste nicht auf Hilfe aus Rom warten. Dank seinem Autonomiestatus hat die Insel die Dinge selbst in der Hand.
Autor: Philipp Zahn Korrespondent SRF

Die Probleme Siziliens sind ein Spiegelbild Italiens, die Regionalwahlen vom Wochenende gelten deshalb als Stimmungstest für die nationalen Wahlen im Frühling. Neben der Arbeitslosigkeit wird der Alltag auf Sizilien durch weitere Unzulänglichkeiten geprägt: Marode Wasserleitungen, überfüllten Abfalldeponien oder löchrige Strassen.

«Die Probleme wären lösbar», meint Zahn. Die Selbstständigkeit Siziliens ist eigentlich sehr gross, die Regierung geniesst viel Autonomie. Und dennoch hat auch die amtierende Regierung von Rosario Crocetta keinen Weg gefunden, die Probleme der Menschen zu lösen.

Crocettas Amtszeit war von grosser Instabilität geprägt. Seit 2012 hat er vier verschiedene Regierungskoalitionen aufgelöst. Er selber geriet ins Visier staatsanwaltschaftlicher Korruptions-Ermittlungen.

Die Macht der Bosse

Wie schwierig die Lage ist, zeigt auch der Kampf gegen die Mafia. Ein Drittel aller Enteignungen wegen Mafia-Machenschaften in Italien geschehen in Sizilien.

Doch das Verwalten des beschlagnahmten Mafia-Vermögens ist schwierig. Villen sind kaum zu verkaufen, Verwalter führen die ehemaligen Mafia-Firmen in den Bankrott. Das wiederum schadet dem Ruf der Anti-Mafia-Kämpfer.

Der Kampf gegen die Korruption kommt nicht vom Fleck. Auch Siziliens Präsident Crocetta hat bei seiner Wahl vor fünf Jahren versprochen, den Behördenapparat zu reformieren. Er ist gescheitert.

Jobs dank Brandstiftung

Der Eigennutz wird in Sizilien oft höher gewichtet als das Gemeinwohl. Ein Beispiel dafür sind laut Philipp Zahn die Waldbrände auf Sizilien. Bei vielen handelt es sich um Brandstiftung. Im Verdacht stehen oft Forstmitarbeiter: «Sie haben befristete Arbeitsverhältnisse und werden beschuldigt, Feuer zu legen, damit sie im Jahr darauf wieder beschäftigt werden.»

Waldbrand in Sizilien
Legende: Auch Waldbrände sind in Sizilien ein Symbol der Korruption. Reuters

Die Korruption ist auf Sizilien ein Teil des Alltags. Eine Folge davon: Passivität. Viele haben sich mit dem Status Quo abgefunden. «Das spielt der Rechts-Koalition unter der Führung von Ex-Premierminister Silvio Berlusconi in die Hände», erklärt Zahn. Jene, die etwas zu verlieren haben – die Bauunternehmer oder Hoteliers – sie sind im Zweifelsfall gegen radikale Änderungen.

Philipp Zahn berichtet für SRF aus Italien und dem Vatikan.
Legende: Philipp Zahn berichtet für SRF aus Italien und lebt seit 1995 in Rom. SRF

Es gibt aber auch positive Beispiele, die zeigen, dass Veränderung möglich ist. So gibt es Genossenschaften, die auf beschlagnahmten Gütern der Mafia wirtschaften. Das seien ermutigende Zeichen, meint Philipp Zahn.

Die Frage ist nur, ob das genügt, um eine Aufbruchstimmung zu schaffen. Vor allem die Fünf-Sterne-Bewegung hat dieses Thema im Wahlkampf aufgegriffen. Die Protestbewegung hat sich als zukunftsgerichtete Alternative dargestellt. Ihre Vision: Den Tourismus ankurbeln, die Kunst und Kultur Siziliens stärker bewerben und neue Technologien fördern.

Flüchtlinge als Wirtschaftszweig

Kein Thema im Wahlkampf war die Flüchtlingskrise. Auch wenn Tausende von geretteten Flüchtlingen versorgt werden müssen, das hat die Leute nicht bewegt.

Das Problem scheint nach aussen dramatischer, als es für die Bevölkerung ist.
Autor: Philipp Zahn Korrespondent SRF

Der Grund dafür: Die geretteten Flüchtlinge haben einen neuen Wirtschaftszweig eröffnet. Die Aufnahmezentren werden von privaten Einrichtungen betrieben – bezahlt von öffentlichen Geldern. So sind auch neue Jobs entstanden. Mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen stellt sich nun eher das Problem, dass diese Jobs wieder verschwinden.

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