Zwischen Februar und April wurde im seit Jahrzehnten vom Bürgerkrieg heimgesuchten burmesischen Shan-Staat eine riesige Menge an Methylfentanyl und Methamphetamin beschlagnahmt. Das bedeute vor allem eines: «Die Drogenproduktion in Südostasien hat sich von traditionellen auf jene von synthetischen Drogen verlagert», sagt Inshik Sim, Drogenexperte im Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC).
So sei in den letzten fünf Jahren weniger Schlafmohn, aus dem Opium gewonnen und Heroin hergestellt wird, in der Region angebaut worden. «Gleichzeit wurden immer grössere Mengen von synthetischen Drogen wie Methamphetamin oder Methylfentanyl beschlagnahmt.»
Synthetisch ist alles viel einfacher
Methamphetamin – auch bekannt als Ice, Crystal Meth oder Yaba – ist in ganz Südostasien vor allem bei der ärmeren Bevölkerungsschicht populär. Es unterdrückt Müdigkeit, Schmerz und Hunger. Der Anreiz für Drogenkartelle von traditionellen Drogen zu synthetischen zu wechseln, sei gross, sagt Richard Horsey, der für den angesehenen Thinkthank International Crisis Group an einem neuen Bericht über die Drogenproduktion in Burmas Shan-Staat mitgearbeitet hat.
Bei der Herstellung synthetischer Drogen seien die Kartelle nicht auf Bauern angewiesen, die Schlafmohn anpflanzen. Die Drogen könnten in einem versteckten Labor produziert werden. «Das ist sicherer», so Horsey. Ausserdem sei Methylfentanyl Tausend Mal stärker als Heroin. «Das heisst: statt 100 Kilogramm Heroin müssen sie nur ein Kilogramm Methylfentanyl schmuggeln. Das ist einfacher und profitabler.»
Kriegsgebiet dient als Drogenlabor
Früher wurde ein Grossteil der synthetischen Drogen für Asien in China produziert. Dann begann die chinesische Regierung vor einigen Jahren gegen die Drogenproduktion vorzugehen, die Drogenkartelle verlegten ihre Labore über die Grenze in den Shan-Staat nach Burma, das auch Myanmar genannt wird. Dort kämpfen Rebellengruppen seit Jahrzehnten für mehr Unabhängigkeit.
Dieses gesetzlose, unwegsame Gebiet biete ideale Bedingungen für die Drogenproduktion, sagt der amerikanische Journalist Patrick Winn. Er hat unlängst ein Buch über die höchst profitable Drogenindustrie in Südostasien geschrieben.
Drogensyndikate aus dem chinesischen Raum verdienten den Löwenanteil am Drogengeschäft, aber auch grössere Rebellengruppen und Milizen im Shan-Staat verdienten mit, sagt Winn: «Die burmesische Armee kämpft nicht selbst im Shan-Staat gegen die Rebellen, sondern lässt lokale Milizen die Drecksarbeit erledigen. Diese Milizen erhalten weder Lohn noch Waffen – aber die Armee schaut weg, wenn sie mit internationalen Drogenkartellen zusammenarbeiten und für diese Labore errichten oder Drogenrouten überwachen.»
Die Region müsste befriedet werden
Umso erstaunlicher ist es, dass die burmesischen Sicherheitskräfte mit der gigantischen Drogenbeschlagnahmung nun just gegen eine solche Miliz vorgegangen sind. Drogenexperte Horsey glaubt, verstärkter internationaler Druck, auch aus den USA, könnte ein Grund dafür sein. Schliesslich starben in den vergangenen Jahren Zehntausende Amerikaner an Überdosen Methylfentanyl.
Doch Antidrogen-Operationen allein könnten die Drogenproduktion im Shan-Staat und das Drogenproblem in Südostasien nicht lösen, so Horsey weiter. «Alle Milizen im Shan-Staat, nicht nur diese eine Gruppe, müssten entwaffnet werden.» Der Konflikt müsste befriedet werden, sodass die verschiedenen Gruppen ihren Kampf nicht mehr mit Drogengeldern finanzieren müssten.