«Eine Hitzewelle mit 40 Grad haben wir noch nie erlebt. Wir betrachten sie als Naturkatastrophe»: Mit dieser Einschätzung schockierte der Meteorologe Motoaki Takekawa vom japanischen Wetteramt vor zwei Tagen die Bevölkerung.
Doch die Fakten geben ihm recht: Die Hitzewelle begann vor zwei Wochen und soll noch bis August andauern. Am Montag wurde in einem Vorort von Tokio der neue Hitzerekord von 41,1 Grad gemessen.
«Heiss wie in einem Dampfbad»
Zwar war der Sommer in Japans Hauptstadt schon immer heiss und feucht, aber diesmal wird es den Bewohnern zu viel. Der Verkauf von Klimaanlagen ist um 70 Prozent gestiegen. Den Grund nennt eine junge Mutter mit Baby: «Es ist so heiss, als ob ich im Dampfbad sitzen würde.»
Zehntausende im Juli hospitalisiert
Mehr als 80 Japaner starben bisher, so viele wie noch nie bei einer Hitzewelle, davon allein 65 in der vergangenen Woche. Seit Anfang Juli wurden mehr als 35'000 Menschen wegen hitzebedingter Leiden in Spitäler eingeliefert. In der Hauptstadt Tokio kam es zur höchsten Zahl von Ambulanzwageneinsätzen an einem einzigen Tag seit 90 Jahren.
Ältere Menschen und Kinder leiden besonders
Die Japaner ertragen die Gefahr nur mit Mühe. «Bei dieser Hitze braucht man Mut, um nach draussen zu gehen. Jeden Tag steht Überleben auf dem Programm», erzählt eine ältere Frau. Einen derart heissen Sommer habe er noch nie erlebt, zum ersten Mal benutze er einen Sonnenschirm, berichtet ein Rentner und fügt hinzu: «Man soll ja vernünftig sein, wenn man alt wird.»
Tatsächlich gefährdet die Hitze die Gesundheit vor allem älterer Leute wegen ihrer oft schwachen körperlichen Konstitution. Aber auch viele Kinder fallen den extremen Temperaturen zum Opfer. Über die Hälfte der öffentlichen Schulen hat keine Klimaanlagen.
Dabei sind Kinder nach den Worten von Dr. Yasufumi Miyake vom Erste-Hilfe-Zentrum des Tokioter Universitätsspitals besonders gefährdet: «Die Muskeln sind ein wichtiger Wasserspeicher. Aber Kinder haben weniger Muskeln, so dass sie leichter einen Hitzschlag erleiden.»
IOC hält an Termin fest – trotz Erinnerungen an 1964
Die Hitzewelle schürt bereits auch Sorgen über die Gesundheit von Athleten und Zuschauern bei den Olympischen Spielen in Tokio, die in fast genau zwei Jahren beginnen.
Japans Hauptstadt hatte in ihrer Bewerbung um die Austragung der Spiele mit dem angeblich milden und sonnigen Sommerwetter geworben. Dabei fanden bereits die Tokioter Spiele von 1964 wegen der Sommerhitze im Oktober statt.
Doch IOC-Vizepräsident John Coates hält dies nicht für eine Option. «Wir müssen uns natürlich auf extreme Hitze vorbereiten. Aber Japan ist nicht der erste Olympia-Gastgeber mit grosser Hitze. Ich fürchte, das ist eine natürliche Folge der Monate Juli und August.»
Werden gewisse Wettkämpfe vorverlegt?
Die japanischen Organisatoren wollen nun einige Wettbewerbe früher starten. Gehwege und Strassen könnten einen Asphalt erhalten, der weniger Hitze abstrahlt. Auch will man mehr Bäume als Schattenspender pflanzen.
Ansonsten bleibt Athleten und Zuschauern nur das traditionelle japanische Mittel gegen die Sommerhitze: der Handfächer. Davon bietet der offizielle Olympia-Souvenirshop immerhin 14 Varianten an.