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Die Corona-Situation in Tschechien spitzt sich zu
Aus Echo der Zeit vom 03.03.2021. Bild: Getty
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Rekordhohe Patienten-Zahlen Tschechien: Wie man es mit Corona nicht machen sollte

Während sich viele Länder langsam aus Pandemie und Shutdown heraus tasten, dürfen sich die Tschechinnen und Tschechen im Land nicht mehr frei bewegen, müssen Corona-Patienten wegen überfüllter Spitäler zum Teil im Ausland behandelt werden. Im Moment erkranken kaum irgendwo auf der Welt so viele Menschen an Covid-19 wie in Tschechien. Dabei sah vor kurzem noch alles rosig aus.

Versuchen wir, ein kleines Lehrstück darüber zu schreiben, wie man es nicht machen sollte.

1. Lassen Sie sich nicht vom Erfolg blenden

Im Frühling 2020 macht Tschechien Schlagzeilen, weil es dort viel weniger Corona-Kranke gibt als anderswo. Das Land ist in Europa eines der ersten, dass das öffentliche Leben praktisch einfriert, Masken muss man sogar draussen überall tragen.

Ende Juni 2020 sind die Menschen stolz, erleichtert – und sie wollen die reifen Früchte des Erfolgs essen: Hunderte picknicken auf der Prager Karlsbrücke an einem langen Tisch, ohne Maske und Abstand. Die Leute sind sorglos geworden.

2. Lassen Sie sich von Fachleuten helfen

Ende Sommer 2020 gibt es wieder mehr Corona-Kranke in Tschechien. Seuchenspezialisten sagen: Jetzt, wo die Kinder wieder zur Schule müssen, sollten die Leute wieder Masken aufsetzen. Die Regierung sagt Nein. Im Herbst rollt die zweite Welle an und spült erneut das freie öffentliche Leben weg.

Die Fachleute sammeln Daten, entwerfen damit Regeln für die Regierung, wann was gelockert werden darf. Vor Weihnachten sagen diese Daten: Die Läden müssen geschlossen bleiben. Die Regierung aber sagt wieder Nein, lässt sie öffnen, zu wichtig ist ihr das Weihnachtsgeschäft. Tschechiens Regierung hört nicht nur nicht auf ihre Experten – sie will auch nicht, dass diese dem Land die Lage erklären. In die Kameras reden immer der Regierungschef und der Gesundheitsminister. Den Politikern glauben aber höchstens die eigenen Wähler, alle anderen halten sie für unglaubwürdig.

3. Seien Sie grosszügig

In Tschechien geht jeder Zweite trotz Covid-Symptomen arbeiten. Das liegt daran, dass sich viele das Daheimbleiben nicht leisten können. Wer in Quarantäne muss, bekommt bloss 60 Prozent des Lohns; in den ersten beiden Wochen muss der Arbeitgeber dieses Geld allein berappen. Die Hilfe der Regierung reicht vielen nicht. Und viele denken, wenn die Regierung mich so allein lässt, halte ich mich auch nicht an ihre Regeln.

4. Kämpfen Sie gegen Falschinformationen

In Tschechien gibt es besonders viele Verschwörungstheorien rund um Corona – und besonders viele Leute glauben daran. Falschinformationen sind nicht nur in der Pandemie ein Problem: Schon lange bekämpfen sich Ost und West in Tschechien, schon lange streut vor allem Russland Desinformation.

Aber während der Pandemie verstärken die Medien das Problem: Viele geben Fake News eine Plattform, indem sie Meinungen als gleichberechtigt darstellen, die es nicht sind. Wenn einer sagt, Corona sei gefährlicher als eine Grippe, sagt gleich darauf eine andere, das stimme nicht. Damit wird suggeriert, die Hälfte der Fachleute halte Corona für gefährlich, die andere Hälfte für ungefährlich. Und das stimmt nicht.

Regierungschef Andrej Babiš gibt heute zu: «Wir haben viele Fehler gemacht.» Und bittet: «Gebt uns eine letzte Chance.» Das klingt wie aus dem Lehrbuch für Politik – Babiš hat Angst, die Wahlen im Herbst zu verlieren.

Zu Recht, denn viele in Tschechien werden Bilder wie dieses nicht vergessen: Schülerinnen helfen auf Intensivstationen aus, weil es zu viele Covid-Patienten gibt und zu wenig Personal. Viele finden: So wie diese Regierung sollte man es nicht machen.

Sarah Nowotny

Osteuropa-Korrespondentin

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Sarah Nowotny ist Osteuropa-Korrespondentin für SRF. Sie lebt in der polnischen Hauptstadt Warschau. Seit 2014 ist Nowotny bei Radio SRF tätig. Zuvor arbeitete sie für die «NZZ am Sonntag» und «Der Bund».

Echo der Zeit, 03.03.2021, 18:00 Uhr

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