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Rentenreform-Streik in Paris «Die Regierung weiss, dass Renten ein heikles Thema sind»

In Paris stehen grosse Teile des Metroverkehrs still. Angestellte der Pariser Verkehrsbetriebe protestieren damit gegen die Rentenreform der französischen Regierung. Bis anhin profitierten sie von Sonderregeln bei der Rente. Dass damit nun Schluss sein soll, wollten sie nicht akzeptieren, sagt SRF-Frankreich-Korrespondent Daniel Voll.

SRF News: Steht heute Freitag alles still in Frankreichs Metropole?

Daniel Voll: Nicht alles steht still, aber zehn Metrolinien bleiben heute ganz geschlossen. Auf den meisten anderen Linien verkehrt etwa ein Drittel der Züge. Das ist auch bei den Vorortszügen so. Teile der Stadt sind vom öffentlichen Verkehr abgeschnitten und andere Quartiere werden schlechter versorgt. Aber das führte nicht zu einem Chaos wie befürchtet. Viele Züge sind sogar schwächer besetzt als an gewöhnlichen Werktagen. Auch auf den Strassen um Paris sind die Staus mit rund 240 Kilometern Länge nicht grösser als sonst an einem Freitag üblich.

Der ÖV streikt. Man weicht auf andere Verkehrsmittel aus.
Legende: Der ÖV streikt. Man weicht auf andere Verkehrsmittel aus. Keystone

Bedeutet das, dass die Pendlerinnen und Pendler zu Hause bleiben?

Nicht alle, aber die Streikwarnungen der Pariser Verkehrsbetriebe haben offenbar gewirkt. Schon während der ganzen Woche haben sie die Passagiere mit Durchsagen davor gewarnt, am Freitag den öffentlichen Verkehr zu benützen. Die Leute arbeiten von Zuhause aus oder beziehen einen arbeitsfreien Tag. Es gibt auch die, die das Velo oder das Elektrotrottinett benutzen oder die, die zu Fuss gehen.

Mit diesem Streik protestieren die Metro- und S-Bahnangestellten gegen die geplante Rentenreform der Regierung. Die betrifft die gesamte Bevölkerung, weshalb streikt genau diese Branche?

Das Personal der Pariser Verkehrsbetriebe hat besonders viel zu verlieren. Ein zentrales Element der Reform ist, dass sie die bestehenden 43 unterschiedlichen Systeme zusammenfassen will.

Betriebe mit einem für das Personal günstigen Rentensystem müssen ihre Leistungen nach unten anpassen, auch die Verkehrsbetriebe der Region Paris.

Alle sollen künftig eine Rente nach den gleichen Regeln erhalten. Betriebe mit einem für das Personal günstigen Rentensystem müssen ihre Leistungen nach unten anpassen, auch die Verkehrsbetriebe der Region Paris. Heute kann das Zugspersonal der Pariser Metro mit durchschnittlich 55 Jahren in Rente gehen. Künftig wird dies erst mit 62 oder 64 der Fall sein. Dies will das Personal nicht hinnehmen. Doch die Regierung sieht nicht ein, warum ein Zugführer in der Metro von Paris ein so viel besseres Rentensystem haben sollte als zum Beispiel ein Tramchauffeur in Bordeaux.

Lässt sich Präsident Macron von solchen Streiks beeindrucken?

Von einem einzigen Streiktag allein bestimmt nicht. Dies ist auch den Gewerkschaften klar. Sie beraten, wie sie weitermachen wollen. Die Regierung hat aus den Erfahrungen des letzten Jahres mit den Demonstrationen der Gilet Jaunes gelernt.

Präsident Emmanuel Macron hat diese Rentenreform schon früh zu einem seiner wichtigsten Projekte erklärt.

Sie will besser kommunizieren und sich auch mehr Zeit für den Dialog nehmen, auch mit den Gewerkschaften. Sie weiss, dass Renten ein heikles Thema sind. Die Proteste gegen eine Reform der Rentensysteme war bereits in den letzten Jahrzehnten immer gross. Da geht es ums Eingemachte. Kommunikation allein dürfte nicht genügen. Präsident Emmanuel Macron hat diese Reform schon früh zu einem seiner wichtigsten Projekte erklärt. Da werden allzu grosse Zugeständnisse für ihn zu einem politischen Risiko.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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