Eine Sprecherin kündigt den Auftritt von Paul Ryan an. Der Chef des Repräsentantenhauses und ehemalige Vizepräsidentschaftskandidat ist ein hohes Tier in der Partei. Applaus – aber auch viele Buhrufe von den Delegierten folgen.
Barbara Kois, eine adrette ältere Dame aus Illinois, regt sich besonders auf. Sie rede gerne mit mir. Aber nur, wenn sie während des Gesprächs Paul Ryan den Rücken zukehren könne, sagt sie. «Paul Ryan hat sich als Politiker von uns ebenfalls abgewendet. Er hat eine grosse Mauer um sein Haus, aber er lässt illegale Immigranten ins Land, die uns die Arbeit wegnehmen. Er gibt Obama alles, was er will. Er hat das Volk verraten.»
Never-Trump-Anhänger – «schlechte Verlierer»
Eine geballte Wut der Trump-Anhänger gegen das politische Establishment. Und gegen alle, die einen Präsidenten namens Trump verhindern wollen – so, wie es einige auch am Parteitag nochmals versuchten. «Akzeptiere endlich den Volkswillen!», ruft ein Delegierter aus Pennsylvania einem Vertreter der republikanischen Never-Trump-Bewegung zu. Schlechte Verlierer seien das, die sich prostituierten für das Geld der Lobbyisten und Firmen, sagt er.
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Am Parteitag in Cleveland ist von Einheit keine Spur, auch wenn sie in den Reden auf der Bühne krampfhaft zelebriert wird. Niemand weiss, wie weiter. Und die Nomination Trumps ändert daran ebenfalls nichts. Sie freut dessen Anhänger– und verärgert die anderen. «Selbst wenn Hillary Clinton wegen ihres E-Mails-Skandals ins Gefängnis müsste, würde sie gewinnen – weil unsere Partei so gespalten ist», sagt der Delegierte Marc Perez aus dem Bundesstaat Washington.
George W. Bush bleibt der Convention fern
Seine Motivation sei im Keller, sagt er. Die Sache sei gelaufen und Hillary gewählt. Perez ist nicht der einzige, der Mühe damit hat, dass ein grossmäuliger politischer Quereinsteiger für die Partei Lincolns und Reagans ins Rennen ums Weisse Haus steigt. Viele Parteigrössen wie Präsident George W. Bush und wichtige US-Senatoren bleiben dem Anlass fern. Andere reisen aus Cleveland ab, noch ehe Trump seine Rede hält. Und dann sind da noch die besonders flexiblen Politiker.
Der Kongressabgeordnete Peter King aus New York etwa, früher einmal eine Establishment-Figur: «Donald Trump war nicht meine erste Wahl, aber jetzt ist er’s. Die Partei und die Welt haben sich verändert. Und wenn die Alternative Hillary Clinton ist, habe ich kein Problem damit, Donald Trump zu unterstützen.»
Clinton verhindern – das scheint noch das einzige zu sein, was die Republikaner eint. Ausserhalb der Arena mit den Delegierten, in einem Restaurant, sitzt der Kolumnist Bill Kristol einsam an einem Tisch. Kristol ist einer der führenden konservativen Köpfe des Landes. Seine Partei stecke in einer Sackgasse, meint er.
Fehlende Alternative zu Clinton und Trump
«Die Nomination ist sehr deprimierend für mich», so Kristol. «Ich bin vor allem enttäuscht, dass sich so viele Republikaner Trump einfach angepasst haben. Konservative Werte werden verraten: freie Märkte, freier Handel, US-Leadership in der Welt. Es geht um Ideen, und nicht bloss um eine einzelne Person.»
Der Kolumnist, der sich für die Kandidatur einer dritten Person als Alternative zu Trump und Hillary stark macht, stochert in seinem Salat. Er denkt an Präsident Trump oder Präsidentin Clinton – und an sein drohendes politisches Exil.