Es waren schwere und nervenaufreibende Wochen für Brett Kavanaugh. Doch jetzt scheint seine Stunde gekommen zu sein. Kavanaugh konnte eine Vorabstimmung im US-Senat zu seinen Gunsten entscheiden – trotz ungeklärter Vorwürfe wegen sexueller Belästigung. Für Fredy Gsteiger, Auslandredaktor in Washington, ist klar: Trumps Kandidat für das Oberste Gericht ist so gut wie durch – wenn es über Nacht ruhig bleibt.
SRF News: Brett Kavanaugh hat die Hürde genommen. Der Entscheid fiel mit 51 zu 49 Stimmen aber sehr knapp aus. Welche Senatoren waren ausschlaggebend?
Fredy Gsteiger: Man wusste im Vorfeld von der grossen Mehrheit der Abgeordneten, wie sie stimmen würden. Aber es gab ein paar wenige Unschlüssige, insbesondere drei Republikaner – zwei Frauen und ein Mann. Von ihnen hat nun eine Senatorin, Lisa Murkowski aus Alaska, gegen ihre Partei gestimmt.
Es wäre in der Tat ungewöhnlich, ein Stück weit sogar unglaubwürdig, wenn Abgeordnete die heute ja sagen, 30 Stunden später plötzlich umschwenken.
Die anderen beiden, Susan Collins aus Maine und Jeff Flake aus Arizona, haben mit ihrer Partei gestimmt. Weil auch noch ein Demokrat für Kavanaugh gestimmt hat, reichte es am Schluss äusserst knapp. In den letzten Wochen ist der Druck auf die Republikaner – aus dem Weissen Haus, von den Parteikollegen und auch von den Wählern in den jeweiligen Wahlkreisen – sehr gross geworden, «republikanisch» abzustimmen. Es war aber ein Krimi bis zum Ende.
Morgen soll die Bestätigung folgen. Ist das mehr als eine Formsache?
Die «New York Times» geht davon aus, dass die Senatorinnen und Senatoren morgen mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit gleich abstimmen werden wie heute. Die Republikaner sind sehr zuversichtlich, dass sie ihren Kandidaten nun tatsächlich durchbringen. Präsident Donald Trump selber hat sich zu Wort gemeldet und gesagt, die Demokraten hätten versucht, Kavanaugh zu vernichten. Sie seien aber gescheitert. Also rechnet auch Trump mit einer Bestätigung.
Kavanaugh hat klar gemacht, dass er ein strammer Republikaner ist.
Es wäre in der Tat ungewöhnlich, ein Stück weit sogar unglaubwürdig, wenn Abgeordnete die heute ja sagen, 30 Stunden später plötzlich umschwenken. Es sei denn, es platzt eine politische Bombe und es völlig neue Erkenntnisse gäbe. Eine hundertprozentige Garantie gibt es nicht. In den Vereinigten Staaten haben wir uns ja politisch an Überraschungen gewöhnt.
Dann wäre Kavanaugh also Richter auf Lebzeiten am Obersten Gericht. Was ist denn aus Sicht des liberalen Amerika so schlimm daran – ein Richter muss ja unabhängig sein?
Unabhängig zu sein war in der Tat lange die Idee bei obersten Richtern. Das war auch lange so: Jahrzehntelang wurden Richter am Obersten Gericht mit grossen, parteiübergreifenden Mehrheiten gewählt. Richter sind auch nach ihrer Wahl niemandem mehr verpflichtet. Sie sind ja bis ans Lebensende gewählt und müssen keine Wiederwahl schaffen.
Die Realität ist aber heute eine andere: Alle Richter stimmen in der Regel klar nach Parteilinie ab. Kavanaugh hat klar gemacht, dass er ein strammer Republikaner ist. Er hat sogar in den Anhörungen demokratische Senatoren scharf angegriffen. Es ist klar: Mit ihm wird die republikanische Seite am Obersten Gericht gestärkt – und das für sehr lange Zeit.