Die Amtsenthebungs-Untersuchungen gegen Donald Trump sind lange noch nicht abgeschlossen. Aber eines scheint schon jetzt klar zu sein: Der US-Präsident hielt Militärhilfe für die Ukraine zurück, um zu erreichen, dass deren Regierung gegen seinen politischen Rivalen Joe Biden und seinen Sohn ermittelt. Oder anders ausgedrückt: Trump war bereit, die nationale Sicherheit der USA zu kompromittieren, um persönlich für die Wahlen zu profitieren.
Bedrohte Demokratie oder nur «business as usual»?
Die militärische Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression ist in den USA eine überparteilich breit abgestützte Politik. Der Kongress spricht die Gelder jeweils mit grossen Mehrheit. Es erstaunt daher nicht, dass die Republikaner im Kongress den Präsidenten inhaltlich nicht so richtig verteidigen mögen. Sie wissen, dass das Vorgehen höchst problematisch war, und dass man durchaus von Amtsmissbrauch reden kann.
Weil sie dem Präsidenten in der Substanz aber nicht so richtig helfen können, kritisieren sie nun den Prozess. Die Untersuchungen seien unfair, illegitim und es sei nicht üblich, dass Zeugen hinter geschlossenen Türen einvernommen würden. Das stimmt so zwar nicht, aber es hilft ihnen, den Schaden politisch in Grenzen halten. Denn bisher gibt es im Kongress praktisch keine republikanischen Abweichler.
Und auch die öffentliche Meinung hat sich nicht entscheidend gegen den Präsidenten gedreht. Gut fünfzig Prozent der Amerikaner und Amerikanerinnen wollen den Präsidenten des Amtes entheben. Das ist nur wenig mehr als vor einem Monat, und immer noch sehr stark nach Parteizugehörigkeit gespalten. Bis jetzt haben es die Republikaner und Präsident Trump also geschafft, ihre Wähler mit Fernsehwerbung, Online-Anzeigen und Twitter-Posts gut auf Linie zu halten.
Doch Präsident Trumps Verhalten darf nicht verniedlicht werden. Die republikanischen Parlamentarier müssen sich fragen: wie weit darf Parteiloyalität gehen, und wann muss die Loyalität gegenüber der Institution zwingend beginnen? Denn ihre Institution, der Kongress, hat verfassungsmässig den Auftrag, die Exekutive zu kontrollieren, was mit dem Rausschmiss des Präsidenten enden kann. Das haben die Gründerväter so gewollt, sie nannten es «Balance of Power», die gegenseitige Kontrolle der Instanzen.
Wollen die Republikaner das Verhalten ihres Präsidenten tolerieren, ihm diesen Machtmissbrauch erlauben, oder müssen sie ihn bremsen, weil er zu autoritärer gehandelt hat? Haben sie nicht die Verantwortung, ihre so hochgelobte Demokratie zu schützen und die Parteibrille abzulegen? Und wenn nicht, sei die Frage erlaubt: Was muss passieren, bis sie sich gegen ihren Präsidenten stellen?
Diese Fragen sind nicht einfach zu beantworten, vor allem nicht in einem derart gespaltenen Land. Und für die Demokraten wäre es ähnlich schwierig, wenn die Loyalität zu ihrem Präsidenten geprüft würde. Es ist denn auch nicht erste Mal in der Geschichte der USA, dass solche Fragen heftigst diskutiert werden. Aber wie die grössten Pessimisten jetzt schon das Ende der Demokratie zu beklagen, ist weit übertrieben. Der Blick auf die Geschichte zeigt, meist geht nach höchstens acht Jahren die Macht von der einen Partei zur anderen über. In diesem Sinne gibt es im System auch noch einen andere «Macht» die kontrolliert, sollten die Parlamentarier ihre Aufgabe nicht wahrnehmen. Die Wahbevölkerung. Und in einem Jahr sind Präsidentschaftswahlen.