Ein souveräner Chef ist einer, der sich in den Ferien nicht einmischt. Er weiss: Die Stellvertretung steht, alles gut, endlich Zeit für Musse.
Nun ist es so, dass der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland die Outlook-App auf dem Telefon in den Ferien nicht einfach löschen kann – er muss erreichbar sein. Im Notfall, ist ja logisch.
Der Politstar stiehlt dem Chef die Show
Doch dann begab es sich Mitte letzter Woche, dass Kanzler Scholz seine Ferien im Allgäu unterbrach, nach Berlin flog im Helikopter, 720 Kilometer, und eine Pressekonferenz abhielt. Es ging um die Rettung von Uniper, einer Gas-Firma, die wegen der Energiekrise am Abgrund stand.
Das hätte auch Scholz’ Ferienvertretung Robert Habeck machen können, schliesslich ist der Wirtschafts- und Klimaminister. Doch Scholz, der Chef, kam selbst. Diese Show wollte er sich nicht auch noch stehlen lassen. Von einem Politstar, dem Grünen Robert Habeck.
Habeck weiss, was ihn sympathisch macht
Jede und jeder Dritte in Deutschland hätte den Norddeutschen gerne als Kanzler. Wer ihn persönlich trifft und hört, ist in den meisten Fällen begeistert. Von Habeck geht, man kann es so sagen, eine Magie aus, er zeigt sich primär als Mensch, nicht als Minister.
Er gibt zu, wenn er mal etwas nicht weiss. Wenn er an einer Medienkonferenz wichtige Details nicht präsent hat, dreht es sich zu seinem Staatssekretär Patrick Graichen um und sagt: «Sag Du mal, Patrick, Du weisst das besser.» Tatsächlich weiss es Patrick besser. Und Habeck ist stolz, kluge Leute im Team zu haben. Andere würden einem Mitarbeiter keinen Sonnenstrahl auf dem Haupt gönnen.
Habeck ist das egal. Er weiss wohl sogar, dass es ihn sympathisch macht. Der Wirtschafts- und Klimaminister surft auf einer Erfolgswelle. Dank ihm und Aussenministerin Annalena Baerbock haben die Grünen die Partei des Chefs Scholz in Umfragen längst hinter sich gelassen.
Die Bewährungsprobe kommt erst
Dabei hat Habeck wohl einen der härtesten Jobs, welche die deutsche Politik zu vergeben hat: Habeck muss Gas organisieren, als Ersatz für den russischen Stoff. Er muss Klinken putzen, Hände von ganz und gar nicht lupenreinen Demokraten schütteln. Und sagt nachher auch, dass es schwierig war.
Zudem muss er seiner Partei Unfassbares zumuten: Kohlekraftwerke länger laufen lassen. Flüssiggas-Terminals bauen. Kernkraftwerke vielleicht in den «Streckbetrieb» führen. Als Grüner. Und was macht seine Partei? Sie schluckt es weitgehend. Habeck hat es mal wieder allen erklärt.
Den Weg auf den Chefsessel ins Kanzleramt kann man schlechter gehen. Doch die Bewährungsprobe kommt erst. Wenn's im Winter dann wirklich kalt wird in Wohnzimmern und Firmen, dann muss Habeck liefern. Hardcore-Realpolitik. Die Opposition lauert schon – und nicht zuletzt auch Habecks schärfster Konkurrent im Kabinett, FDP-Finanzminister Christian Lindner.
Sie alle warten, bis Habeck Fehler macht, die er nicht mehr erklären kann, die grösser sind als sein rhetorisches Talent.
Habeck wieder einmitten – das ist wohl auch der heimliche Traum von Olaf Scholz. Damit die Ferien wieder Ferien sind und bleiben. Am Freitag sind sie dieses Jahr zum Glück vorbei.