Für Dilma Rousseff ist es am Montag politisch um alles oder nichts gegangen. Gegen die suspendierte brasilianische Präsidentin läuft ein Amtsenthebungsverfahren, weil sie die Staatsrechnung von 2014 geschönt haben soll. Im Senat erhielt sie nun Gelegenheit, sich zu verteidigen.
SRF News: Wie hat sich Rousseff verteidigt?
Ulrich Achermann: Wie bisher und ohne grosse Überraschungen. Sie erklärte, sie sei sich keines Unrechts bewusst und habe keine Gesetze übertreten. Was gegen sie laufe, sei eine Revanche der konservativen Eliten, die ihren Wahlsieg nicht ertragen und jetzt die Gelegenheit genützt hätten, sie praktisch wegzuputschen. Für sie sei das so etwas wie ein politisches Todesurteil, erklärte Rousseff.
Hat sie recht damit?
Teils. Die Regierung hat im Zusammenhang mit der Staatsrechnung sicher Gesetze verletzt. Auf der anderen Seite ist dieser Putsch aber etwas sehr illegitimes. Es ist eine Verschwörung konservativer Kräfte, denn der Präsidentin ist in Sachen Korruption nichts vorzuwerfen. Vielmehr sind es die Architekten ihrer Absetzung selbst, die in Strafverfahren und Ermittlungen verwickelt sind. Ihr Ziel ist ganz klar: Sie hoffen, Rousseff von der Macht wegzubekommen. Kämen sie an die Macht, würden die Konservativen schon dafür sorgen, dass die Korruptionsermittlungen gegen sie eingestellt würden.
In den nächsten Tagen entscheiden die Senatorinnen und Senatoren, ob Rousseff definitiv abgesetzt wird. Hat sie noch eine Chance, sich halten zu können?
Ich glaube nicht. Das hat sie zum Teil auch in ihrer Erklärung vom Montag durchblicken lassen. Die Präsidentin geht wohl selber auch davon aus, dass sie alleine im Regen steht und es da nichts mehr abzuwenden gibt. Also die Würfel scheinen gefallen.
Muss Rousseff gehen, wird ihr ehemaliger Vize, Michel Temer, definitiv Präsident. Was ändert sich damit in der brasilianischen Politik?
Zunächst wird wohl der Wirtschaftskurs liberalisiert. Man spricht von Privatisierungen und Kürzungen der Sozialleistungen. Die vordringlichste Aufgabe dieser Regierung wäre, den Staatshaushalt wieder ins Lot zu bringen und damit die Voraussetzungen für neues Wirtschaftswachstum zu schaffen. Ob Temer das allerdings alles stemmen kann, da habe ich meine Zweifel. Er ist eine Figur, die über keine grosse Legitimität verfügt und ganz stark von parlamentarischen Kräften abhängt, die ihn unterstützen. Müsste er als Präsident unpopuläre Entscheidungen treffen, könnte er unter Druck geraten und müsste wohl nachgeben. So wäre am Schluss gar nichts besser geworden.
Das Gespräch führte Roman Fillinger.