Guido Gryseels stellt sich neben seinen Schatz. In seinem Haus in Tervuren bei Brüssel lagert der Generaldirektor des Königlichen Museums für das zentrale Afrika die grösste Sammlung afrikanischer Kunst in Europa.
Es sei nicht akzeptabel, dass ein Grossteil des kulturellen Erbes Afrikas in europäischen Sammlungen sei, meint Gryseels. Zumal nur rund die Hälfte der 120‘000 Objekte des Afrika-Museums nachweislich legal erworben wurden.
Die Statue von Ne Kuko gehört nicht dazu. Sie wurde vor knapp 150 Jahren erbeutet, bei einem Raubzug eines belgischen Kautschuk-Händlers. Umfangreiche Recherchen des Museums in Frankreich, Belgien und in der Republik Kongo waren nötig, um die Herkunft der Statue zu dokumentieren.
Missionare, Wissenschaftler, Kolonialbeamte
«Ein grosser Teil unserer Sammlung wurde von Missionaren, Wissenschaftlern oder Kolonialbeamten nach Belgien gebracht. Häufig kennen wir die Umstände, wie die Objekte erworben wurden, nicht genau», erklärt Gryseels.
Häufig kennen wir die Umstände, wie die Objekte erworben wurden, nicht genau.
Zwischen 1000 und 1500 Ausstellungsstücke im Afrika-Museum sind nachweislich Raubkunst. Diese wolle Belgien sofort der ehemaligen Kolonie Kongo zurückgeben, verspricht Thomas Dermine, in der belgischen Regierung verantwortlich für Wissenschaft: «Was von unseren Vorfahren geraubt wurde, kann nicht dem belgischen Staat gehören.»
Neues Gesetz soll Schätze deblockieren
Bisher fehlte eine rechtliche Grundlage, Kunstgegenstände aus der Kolonialzeit zurückzugeben. Diese waren bis jetzt Teil des belgischen Staatsvermögens und darum nicht zu verkaufen. Ein spezielles Raubkunst-Gesetz soll nun die illegal erworbenen Kulturgüter übertragbar machen.
So könnten die betreffenden Objekte anschliessend mit einem Vertrag der Republik Kongo zurückgegeben werden, zumindest juristisch, wie Dermine erklärt. Was nicht heisst, dass ein Objekt sofort auch physisch zurückgeschafft werden muss.
Vorerst nur eine Garantie
Belgien ist das erste Land, das diesen Weg geht. Der Ansatz ist völlig neu, denn er unterscheidet zwischen der rechtlichen Rückgabe der Kulturgüter – womit der Staat Kongo sofort Besitzer der Objekte würde – und der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Objekte physisch nach Kongo transferiert werden.
Die fehlende Garantie sei lange Zeit das Hauptargument gewesen, auch illegal erworbene Kunstobjekte aus der Kolonialzeit nicht zurückzugeben, so Dermine: «Wir sind moralisch dazu verpflichtet, Raubkunst zurückzugeben. Wir trennen das aber von der physischen Rückgabe, die sorgfältig durchgeführt werden muss.»
Wir trennen das aber von der physischen Rückgabe, die sorgfältig durchgeführt werden muss.
Diese politische Lösung stellt in der Realität das Afrika-Museum vor eine schwierige Aufgabe. Bei über 30‘000 Gegenständen der Sammlung sei die Herkunft nicht geklärt, warnt Direktor Gryseels: «Viele Objekte sind seit 100 Jahren in unserer Sammlung. Wir sollten uns keine Illusionen machen: Häufig werden wir den Ursprung nie bestimmen können.»
Bleibt die Frage offen, ob ein Objekt vom Afrika-Museum legal erworben wurde, erhält es einen Sonderstatus. Das Rückgabeverbot wird aufgehoben. Lässt sich der Eigentümer ermitteln, kann es zurückerstattet werden. Bis dahin bleibt es aber im Depot des Afrika-Museums in Belgien.