Etwa fünf Millionen Venezolaner haben in den letzten Jahren ihre Heimat verlassen: Wegen Misswirtschaft, Hunger und Kriminalität wanderten sie nach Kolumbien, Ecuador oder Peru aus.
Doch die Corona-Pandemie habe viele von ihnen zu einer Rückkehr in ihr Heimatland gezwungen, sagt Padre Eduardo Soto, der als Landesdirektor des Flüchtlingsdienstes der Jesuiten in Venezuela aktiv ist.
SRF: Sie rechnen damit, dass bis zu 1.5 Millionen Venezolaner in ihre Heimat zurückkehren könnten. Was bedeutet das mitten in einer Pandemie?
Padre Eduardo Soto: Das Risiko, dass sich das Virus ausbreitet, ist gross. Denn längst nicht alle Migranten kommen über die offiziellen Grenzübergänge nach Venezuela. Und wer die Grenze illegal überquert, durchläuft nicht die von der Regierung vorgesehenen Kontrollen. Diese sehen mehrere Tests und eine zweiwöchige Quarantäne vor.
In der Stadt Maracaibo gibt es gerade eine neue Ansteckungswelle genau aus diesem Grund: Weil viele Menschen illegal aus Kolumbien ins Land gekommen sind. Es wird nicht der einzige Vorfall bleiben. Die Grenze ist extrem schwer zu kontrollieren, man muss nur einen Fluss überqueren und ist schon im anderen Land.
All diese Menschen sind geflohen, weil sie in Venezuela kaum überleben konnten. Warum kommen sie nun zurück?
Diese Menschen sind weder freiwillig gegangen, noch kommen sie freiwillig zurück, das muss man klar sagen. Die meisten von ihnen haben im anderen Land informell gearbeitet, von der Hand in den Mund. In der Pandemie sind ihre Einkommensquellen weggefallen, sie landen auf der Strasse.
So schlecht das venezolanische Gesundheitssystem funktioniert: Hier kann ihnen zumindest der Zugang nicht verweigert werden.
In Venezuela haben sie immerhin familiäre Netzwerke. Dazu kommt: Die Aufnahmeländer haben kaum Schutzmechanismen für Migranten entworfen, etwa, was den Zugang zum Gesundheitssystem angeht.
Auf was für ein Land treffen die Rückkehrer?
Sie merken schnell, dass der Alltag in Venezuela noch komplexer geworden ist. Etwa in Sachen Transport: Dieser ist nicht nur wegen der Pandemie eingeschränkt, sondern es fehlt schlichtweg an Benzin. Weil die Lieferketten aus diesem Grund nicht mehr funktionieren, fehlt es zudem an Nahrungsmitteln.
Was wir jedoch beobachten: Die Rückkehrer wollen arbeiten, sie wollen von niemandem abhängig sein. Sie haben eine schwere Zeit hinter sich und dennoch bringen sie Mut und Kraft mit, um auf eigenen Beinen zu stehen.
Das Gespräch führte Karen Naundorf.