Nun also doch: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den Rücktritt seines Innenministers Gérard Collomb angenommen. Am Dienstag hatte Macron das Rücktrittsgesuch noch abgelehnt. Collomb hatte bereits vor einiger Zeit angekündigt, er wolle 2020 Bürgermeister von Lyon werden.
SRF-Mitarbeiter Rudolf Balmer sieht die Autorität des Präsidenten durch den Rücktritt angekratzt: Macrons monarchistischer Führungsstil isoliere ihn zunehmend – innerhalb und ausserhalb der Regierung.
SRF News: Wie lässt sich das Hin und Her des französischen Präsidenten Macron erklären?
Rudolf Balmer: Der bisherige Innenminister Gérard Collomb hat ganz eindeutig die Autorität des Staatspräsidenten herausgefordert. Er wollte eigentlich im Sommer 2019 nach den Europa-Wahlen zurücktreten. Damit hat er aber auch die Kritik der Opposition auf sich gezogen. Sie kritisierte ihn dafür, dass ihm die Lokalpolitik und sein Posten als Bürgermeister von Lyon wichtiger seien als die nationale Politik und die Regierung.
Collomb hat damit aber auch die Gerüchte bestätigt, dass er zunehmend kritisch gegenüber der Regierungspolitik und vor allem gegenüber der Person von Präsident Macron sei.
Warum war Collomb so wichtig für Macrons Regierung?
Er war so etwas wie der väterliche Mentor von Macron. Er war einer der allerersten, die überhaupt an dessen politische Zukunft geglaubt haben. Dass Collomb nun darauf besteht, auf Distanz zur Regierung zu gehen, lässt den Verdacht aufkommen, dass er nicht mehr an Macron und seine Politik glaubt.
Das ist ein ganz schwerer Schlag für Macron. Seine Position ist ganz klar geschwächt.
Immerhin geht er gegen den Willen des Präsidenten. Das sind Anzeichen einer schweren Autoritätskrise an der Staatsspitze. Der ehemalige Sozialist Collomb möchte sich absetzen und zieht ganz einfach seine lokalpolitischen Ambitionen vor.
Der Rücktritt von Innenminister Collomb ist bereits der dritte Abgang in französischen Regierung innert kürzester Zeit. Was sagen die Rücktritte über den Zustand der Regierung aus?
Ganz einfach, dass Emmanuel Macron praktisch nichts mehr kontrolliert. Er hat keine Autorität mehr innerhalb der Regierung. Macron hat seine zwei wichtigsten Minister verloren. Vor etwa einem Monat ist bereits die Nummer 3, Nicolas Hulot, mit einer klar politischen Kritik als Umweltminister zurückgetreten. Jetzt geht mit Collomb die Nummer 2, der für die innere Sicherheit zuständig war.
Collombs Aussagen zeigen, dass er vieles am Stil der monarchischen Machtausübung von Macron auszusetzen hat.
Das ist ein ganz schwerer Schlag für Macron. Seine Position ist ganz klar geschwächt. Aus dem Elysée heisst es, dass Macrons Umfeld wütend sei wegen des Rücktritts. Premierminister Edouard Philippe, der das Amt des Innenministers interimistisch ausführen muss, ist ebenfalls empört über Collombs Verhalten. Denn der Rücktritt löst eine interne Krise aus.
Collomb selber hat bereits Kritik geäussert an Präsident Macron: Provinzler könnten sich mit Begriffen wie «neue Grammatik der Politik» oder «Start-up-Nation» nicht anfreunden. Macron habe sich vom Volk entfremdet. Trifft Collomb damit einen wunden Punkt?
Mit diesen sehr kritischen Äusserungen vor Journalisten beweist Collomb zumindest, dass es bei seinem Rücktritt nicht nur um lokalpolitische Ambitionen geht. Die Aussagen zeigen, dass er vieles am Stil der monarchischen Machtausübung von Macron auszusetzen hat.
Die Opposition kritisiert Macron als ‹kleinen Napoleon›, der sich wieder in den Dienst des Volkes stellen sollte.
Collomb hat auch gesagt, dass nicht mehr viele mit dem Präsidenten reden könnten. Wenn aber alle vor Macron auf die Knie gingen, werde er sich isolieren. Collomb spricht damit einen wunden Punkt an: Macron ist sich seiner Macht so sicher geworden, dass er sich zu sehr von seinen Wählern entfernt hat. Das liefert auch der Opposition Munition. Sie kritisiert Macron als «kleinen Napoleon», der sich wieder in den Dienst des Volkes stellen sollte.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.