Er wird als «Humza der Kurze» in die schottischen Geschichtsbücher eingehen. Genau 368 Tage regierte Humza Yousaf Schottland. Nun sei es Zeit zu gehen, sagte der «First Minister», als er das Handtuch warf.
Der Rücktritt kommt nicht überraschend. Mit seinem Rauswurf der Grünen aus der Regierung hat sich Yousaf verkalkuliert. Noch am Wochenende stellten diese erzürnt eine Vertrauensabstimmung im Parlament in Aussicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass der «First Minister» diese nicht überlebt hätte, war real. Mit seinem Rücktritt ist Yousaf einer möglichen Schmach zuvorgekommen.
Gesellschaftliche Probleme im Fokus
Der grosse gemeinsame Nenner der Schottischen Nationalpartei und der Grünen war die Unabhängigkeit Schottlands. Nachdem die britische Regierung ein weiteres Unabhängigkeits-Referendum jedoch abgelehnt hatte, musste sich die schottische Regierung in erster Linie um den Realalltag der Schottinnen und Schotten kümmern. Und dieser sieht nicht gut aus.
Das Land verzeichnet am meisten Drogentote in Europa. Die Wartezeiten im Gesundheitswesen sind lang. Schulabgänger schliessen in Pisa-Studien bemerkenswert schlecht ab. Zudem herrschte in der Regierungskoalition Uneinigkeit über das Tempo der Klimapolitik. Für Kopfschütteln sorgte jüngst das Anti-Hass-Redegesetz. Eine lobenswerte Idee, die aber so schwammig formuliert war, dass allein in der ersten Woche nach der Einführung die Polizei mit 7500 Anzeigen konfrontiert war.
Glanz der Partei verblasst weiter
Nicht nur die kurze Amtszeit von Humza Yousaf ist bemerkenswert, sondern ebenso der Niedergang der Schottischen Nationalpartei. Die Partei, welche sich die Unabhängigkeit Schottlands auf die Fahne geschrieben hat, regiert das Land seit 17 Jahren. Ihr Aushängeschild war während langer Zeit «First Ministerin» Nicola Sturgeon. Sie profilierte sich während der Corona-Pandemie als seriöse und verlässliche Politikerin.
Vor gut einem Jahr ist sie überraschend zurückgetreten. Nicht ohne Grund, wie sich zeigte. Das Ehepaar Sturgeon wurde einige Tage später vorübergehend festgenommen und verhört. Untersucht wurde der Missbrauch von Parteigeldern. Gegen ihren Mann wurde vor wenigen Tagen formell Anklage erhoben. Ihr Nachfolger Humza Yousaf hat sein Amt mit einer Hypothek übernommen. Die jüngsten Eskapaden lassen den einstigen Glanz der Partei definitiv weiter verblassen.
Der schottischen Nationalpartei stehen in den kommenden Wochen deshalb turbulente Zeiten bevor. Grossbritannien wählt in diesem Jahr ein neues Parlament. Wer im Vereinigten Königreich die Macht erobern will, benötigt auch die Stimmen der schottischen Wählerschaft. In den Parteizentralen der Konservativen und von Labour wird deshalb bereits eifrig überlegt, wie sich der Niedergang der Schottischen Nationalpartei politisch kapitalisieren lässt.