Worum geht es? König Abdullah II. von Jordanien hat sich mit einem Brief an sein Volk gewandt. Darin erklärt er, warum er seinen jüngeren Halbbruder Hamsa überwachen und unter Hausarrest stellen lässt. Dieser Schritt des jordanischen Königs ist das jüngste Kapitel in einem Komplottversuch, in das Prinz Hamsa letztes Jahr involviert gewesen sein soll.
Wie begründet der König sein Vorgehen? Abdullah schreibt, vor anderthalb Jahren habe er gegenüber seinem Halbbruder Prinz Hamsa noch Nachsicht gezeigt. Doch dieser sei uneinsichtig und verbreite weiter «unwahre Behauptungen». Hamsa sei verblendet, sehe sich als «Wächter des Vermächtnisses der Haschemiten» und gebe sich als Opfer einer Hetzkampagne des Königshauses und des Staates. Der Prinz stelle für das Land eine Gefahr dar. Deshalb bleibe ihm, dem König, nichts anderes übrig, als Prinz Hamsa in seinem Palast einzusperren und seine Kommunikation mit der Aussenwelt zu überwachen.
Wie lautet Hamsas Kritik? Prinz Hamsa warf der jordanischen Machtelite vor, sie sei korrupt und kümmere sich nicht um die Not der Bevölkerung. Die Machtelite sei nur auf ihre eigenen Interessen fokussiert – und von einer solch eigennützigen Politik distanziere er sich entschieden. Als er vor anderthalb Jahren unter Hausarrest gestellt und seine angeblichen Komplizen verhaftet wurden, verbreitete er seine Kritik in einem Video, das er an internationale Medien verschickte. Später entschuldigte er sich offiziell, und man sah ihn wieder mit dem König. Vor einigen Wochen nahm er diese Entschuldigung jedoch zurück und sagte, er werde auf seinen Prinzentitel verzichten, denn mit der Königsfamilie habe er nichts mehr am Hut.
Was ist an Hamsas Kritik dran? Hamsa sagt bloss, was die Bevölkerung hinter vorgehaltener Hand ebenfalls sagt: Es herrscht grosser Unmut über Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Not, Perspektivlosigkeit. Weiter als das Volk geht Hamsa in seiner unverblümten Kritik am Königshaus, doch darin wird er vom Volk wenig unterstützt. Die grosse Mehrheit der jordanischen Bevölkerung will keinen Umsturz. Sie fürchtet Zustände wie in Syrien, Irak, oder auch im Libanon. Für Frieden und Stabilität ist die jordanische Bevölkerung bereit zu leiden.
Was sagt das Volk zum königlichen Brief? Die meisten getrauen sich nicht, dazu öffentlich etwas zu sagen – oder höchstens mit subtilen, humorvollen Kommentaren. In Jordanien gilt seit Beginn der Corona-Pandemie Militärrecht und damit verschärfte Zensur, vor allem für Posts auf den sozialen Medien. Entsprechend werden die Vorgänge im Königshaus nicht wirklich im Volk diskutiert. Zudem weiss man gar nicht, was genau passiert, denn es herrscht bekanntlich ein Verbot, darüber zu berichten. Nur das Königshaus selber äussert sich dazu.
Bedroht der Familienstreit die Stabilität im Land? Kaum. Jordanien ist eine Stammesgesellschaft, die Mehrheit der Stämme will Stabilität und bekundet Loyalität zum Königshaus. Allerdings ist das Land von instabilen Staaten praktisch umringt. Und ohne massive internationale Unterstützung könnte Jordanien als Staat nicht überleben. Wichtiger als der königliche Bruderstreit ist wohl die Wirtschaftslage. Das Land braucht wirtschaftliche Reformen, Korruption ist ein Problem und fast Zweidrittel der Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt. Wie gut es der Regierung gelingt, den Menschen Arbeit und eine Perspektive zu geben, wird entscheidend sein für die Stabilität des Landes.