Wegen des Krieges in der Ukraine hatten die USA und die EU schon im März ein Importverbot gegen russische Diamanten verhängt. Weil das nicht viel bewirkt hat, gehen die USA jetzt einen Schritt weiter und sanktionieren das weltweit grösste Diamantenförderunternehmen Alrosa. Es gehört zu zwei Dritteln dem russischen Staat.
Zu Rohdiamanten aus Russland hat die Diamantexpertin Cristina Villegas eine klare Meinung: «Es gibt keinen Zweifel. Diamanten aus Russland sind Konflikt- und Blutdiamanten», sagte die Direktorin des Minenprogramms bei der US-Nichtregierungsorganisation Pact. «Diese Diamanten finanzieren die russische Regierung und finanzieren auch Kriegsgüter, die jetzt in der Ukraine eingesetzt werden.»
Die Diamantexpertin weiss aber auch, dass ihre Definition zwar zutreffen mag, von der Branche aber nicht akzeptiert wird. Blut- und Konfliktdiamant sind Begriffe aus den 90er-Jahren. Damals wurden mit illegal geschürften Diamanten in Afrika wie beispielsweise in Sierra Leone eine Reihe von Rebellenaufstände gegen Regierungen finanziert.
Branche uneinig über Begriff und Definition
Seit 20 Jahren brauchen Diamanten, die im Verdacht stehen, Bürgerkriege zu finanzieren, daher einen Herkunftsnachweis von der Mine bis zum Steinschleifer. Ohne eine entsprechende Urkunde dürfen sie nicht gehandelt werden. Das hat der Kimberley-Prozess so festgelegt. Das ist eine freiwillige Vereinbarung von Staaten, die verhindern soll, dass mit Diamanten Bürgerkriege finanziert werden.
Martin Rapaport ist ein israelischer Händler und einflussreicher Marktbeobachter und sagt: «Blutdiamanten sind Diamanten, die mit Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang gebracht werden. Dazu gehören Folter, Vergewaltigung, Mord, Sklaverei.» Konfliktdiamanten seien solche, mit denen gemäss Definition des Kimberley-Prozesses Rebellenaufstände gegen Regierungen finanziert würden, sagt Rapaport.
Im Ukraine-Krieg kämpfe eine Regierung gegen eine andere. Russische Diamanten seien daher höchstens Sanktionsdiamanten. Diese enge Definition macht einen grossen Unterschied. Denn die meisten russischen Rohdiamanten werden in Indien geschliffen, einem wichtigen Zentrum des globalen Diamantmarktes.
Aus russischem wird indischer Stein
«Die USA importieren quasi keine russischen Rohdiamanten, sondern vor allem geschliffene Steine aus Indien», sagt Diamanthändler Muff. Sobald die russischen Rohdiamanten aber in Indien geschliffen sind, werden sie als indische Diamanten weiterverkauft und fallen nicht mehr unter die westlichen Sanktionen.
«Diese Sanktionen sehen also nur gross aus, sind aber nichts wert», meint Marktkenner Martin Rapaport. «Sie sind eigentlich nutzlos.» Ein ähnliches Schicksal könnte auch den neuen US-Sanktionen drohen, die gerade erlassen worden sind. Die USA verweigern dem russischen Diamantförderer Alrosa damit den Zugang zum US-Finanzsystem. Doch Alrosa kann seine Rohdiamanten weiter ungehindert nach Indien verkaufen.
Denn in Indien, das traditionell eng mit Russland verbunden ist, gibt es keine Sanktionen gegen Russland. Einem noch unbestätigten indischen Medienbericht zufolge werden die Käufe zudem in Euro über deutsche Banken abgewickelt, um die Sanktionen zu umgehen. Gut möglich also, dass auch die neuen US-Sanktionen schärfer aussehen, als sie tatsächlich sind.