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Russische Privat-Soldaten «Recherchen über die Wagner-Gruppe scheinen gefährlich»

In der Zentralafrikanischen Republik sind drei russische Journalisten ums Leben gekommen. Es sind Fernsehjournalisten aus Moskau, die vor Ort ein heikles Thema recherchiert haben. Dabei geht es um geheime Aktivitäten russischer Söldner in Afrika.

Kritiker behaupten, die Söldnertruppe mit dem Namen Wagner solle sogar Verbindungen zum Kreml und zu Präsident Wladimir Putin haben. In Russland werde die Existenz der Truppe aber bestritten, sagt Carola Schneider, Korrespondentin des ORF in Moskau.

Carola Schneider

Journalistin in Moskau

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Die österreichische Journalistin Carola Schneider war von 2003 bis 2011 ORF-Korrespondentin für die Schweiz in Zürich. Seither leitet sie das ORF-Büro in Moskau. Sie schreibt auch für Tageszeitungen, etwa für die NZZ.

SRF News: Was weiss man über die russische Söldnertruppe namens Wagner?

Carola Schneider: Wenig. Die Existenz der Gruppe wird bestritten. Was man weiss, das stammt aus Recherchen und Beobachtungen von unabhängigen Militärexperten und Journalisten. Demnach rekrutiert die Söldnergruppe Wagner Männer, die oft aus armen Regionen in Russland stammen. Diese sind bereit, für ein ziemlich gutes Gehalt als Privatsoldaten im Ausland im Einsatz zu stehen.

Mit Söldnern kann man die offizielle Anzahl der Soldaten im Auslandeinsatz klein halten und Kriegsopfer und Einsätze kaschieren.

Russland setzt neben regulären Soldaten im Ausland auch auf solche Privatsoldaten. Unter anderem deshalb, weil man damit die offizielle Anzahl der Soldaten im Auslandeinsatz klein halten kann. Auch, um eventuelle Kriegsopfer und mögliche Einsätze zu kaschieren – wie etwa in der Ostukraine. Das denken unabhängige Beobachter in Russland.

Weshalb trägt diese Gruppe den Namen Wagner?

Ihr Gründer soll ein ehemaliger Offizier, des russischen Militär-Geheimdienstes mit dem Pseudonym Wagner sein. Diese Wagner-Gruppe soll auch heute vom russischen Militär-Geheimdienst kontrolliert werden.

Was wollen diese Privatsoldaten in der Zentralafrikanischen Republik?

Russland hat dort Anfang Jahr seine militärische Präsenz ausgebaut. Gegen das zentralafrikanische Land, das zum Grossteil von Rebellen kontrolliert wird, ist von der UNO ein Waffenembargo verhängt worden. Moskau hat aber eine Ausnahmegenehmigung bekommen, der völlig am Boden liegenden zentralafrikanischen Armee, Waffen zu liefern. Dies hat Moskau Anfang des Jahres getan und hochoffiziell auch einige Soldaten geschickt – und 170 sogenannte zivile Instruktoren.

Gesicht von Mann.
Legende: Die russischen Söldner sollen sogar für seine Sicherheit sorgen: Der Präsident der Zentralafrikanischen Republik Faustin Archange Touadéra. Keystone

Viele Beobachter gehen davon aus, dass einige dieser zivilen Instruktoren, welche die örtliche Armee schulen, Soldaten der Wagner-Gruppe sind. Und sie sollen sogar – und das ist ziemlich heikel – für die persönliche Sicherheit des Präsidenten zuständig sein.

Die drei getöteten russischen Journalisten sollen im Auftrag eines Kremlkritikers unterwegs gewesen sein. Was weiss man dazu konkretes?

Die drei Reporter waren für ein Filmprojekt von Michail Chodorkowski unterwegs, einem ehemaligen Oligarchen, der heute ein scharfer Kremlkritiker ist. Chodorkowski hat aus seinem Exil eine Medienplattform gegründet. Unter anderem dreht er auch immer wieder Dokumentarfilme. Chodorkowski bestätigt selbst, dass die Journalisten Aufnahmen von der Wagner-Gruppe in Zentralafrika drehen wollten.

Er zeigt sich entsetzt über den Tod der Reporter, betont aber auch, dass solche Projekte wichtig seien. Chodorkowski schreibt auf seiner Facebookseite, dass der Einsatz von Söldnern laut russischem Gesetz verboten sei. Die Wahrheit zu erzählen, sei die einzige Möglichkeit solche Verbrechen aufzuzeigen und zu stoppen – manchmal unter Lebensgefahr.

Nach dem Tod dieser drei Journalisten bleibt vieles offen: Ob es die Wagner-Gruppe wirklich gibt. Aber auch die Rolle des russischen Staates bleibt völlig unklar.

Viele unabhängige Beobachter und Berufskollegen der getöteten Reporter in Russland befürchten, dass die wahren Hintergründe möglicherweise nie ans Tageslicht kommen werden.

Zentralafrika ist ein krisengeschütteltes Land: Da sind Rebellen unterwegs, und es hat dort jahrelang Bürgerkrieg gegeben. Natürlich ist es möglich, dass die Reporter Opfer von Räubern geworden sind, wie es auch die lokalen Behörden vor Ort betonen.

Dahinter direkt den russischen Staat zu vermuten, das geht sicher zu weit.

Es ist aber auch so, dass Recherchen in Bezug auf die Wagner-Gruppe sehr gefährlich zu sein scheinen. Erst vor wenigen Monaten ist in Jekaterinburg in Russland ein Journalist aus unbekannten Gründen aus dem Fenster gestürzt. Auch er hatte über den Einsatz der Wagner-Gruppe in Syrien berichtet.

Dahinter direkt den russischen Staat zu vermuten, das geht sicher zu weit – auch was den Tod der Journalisten in Zentralafrika betrifft. Trotz vieler Indizien und Belege: Russland streitet den Einsatz von Privatsöldnern ab.

Das Gespräch führte Rino Curti.

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