Mehrere russische Söldner sollen in Syrien bei einem US-Luftangriff letzte Woche ums Leben gekommen sein. Der Kreml gibt sich wortkarg. Insgesamt sollen laut US-Angaben bei dem Angriff bis zu 200 pro-syrische Kämpfer getötet worden sein.
Das Thema dominiert in oppositionellen russischen Medien seit Tagen die Schlagzeilen, wie der Moskau-Korrespondent von SRF, David Nauer, berichtet.
SRF News: Was weiss man in Russland über die angeblich in Syrien getöteten russischen Söldner?
David Nauer: Gesicherte Erkenntnisse gibt es kaum. Mit den Informationen aus verschiedenen Quellen setzt sich allerdings ein Bild zusammen. Demnach handelt es sich offenbar um Angehörige der Söldnerarmee «Wagner». Sie sollen vergangene Woche zusammen mit syrischen Kräften Anti-Assad-Kämpfer, die mit US-Truppen zusammenarbeiten, in Ostsyrien angegriffen haben, woraufhin die US-Streitkräfte zurückschlugen. Dabei sollen Dutzende pro-syrische Kämpfer getötet worden sein, darunter auch russische Söldner. Der Kreml allerdings sagte bislang, er wisse von nichts.
Ist es tatsächlich möglich, dass die russische Regierung von diesen Schattensöldnern nichts weiss?
Nein, das ist kaum vorstellbar. So sind in Syrien zahlreiche russische Geheimdienstler an der Arbeit, die sehr gut über die dortigen Vorgänge informiert sind. Zudem ist die Söldnertruppe «Wagner» offenbar mit dem russischen Militär-Geheimdienst eng verbunden. Die Kämpfer sind wohl sogar im Auftrag der russischen Armee in Syrien tätig. Oft erledigen die Söldner im Auftrag der Russen besonders gefährliche oder schmutzige Aufträge. Ob das beim Vorfall letzte Woche auch so war, weiss man allerdings nicht.
Warum steht der Kreml nicht hin und gibt die Existenz dieser Söldner zu?
Private Söldnertruppen sind laut russischem Recht gar nicht erlaubt. Deshalb kann die Regierung kaum zugeben, dass solche in Syrien im Einsatz sind. Zudem erledigen sie für die russische Regierung die Drecksarbeit ohne in der Statistik der in Syrien gefallenen Russen auftauchen, wenn dabei etwas schiefgeht.
Die gefallenen Söldner werden in aller Heimlichkeit beerdigt, so wird das schöne Propagandabild nicht beschmutzt.
Der Syrien-Einsatz wäre in Russland sehr rasch unpopulär, wenn die tatsächliche Zahl der gefallenen Russen offiziell bekannt wäre. Die gefallenen Söldner werden in aller Heimlichkeit beerdigt, so wird das schöne Propagandabild des erfolgreichen russischen Kriegseinsatzes in Syrien auch nicht beschmutzt. Ausserdem wäre die aktuelle Situation in Syrien eine sehr viel gefährlichere, wenn tatsächlich russische Soldaten durch amerikanische Bomben getötet worden wären. In diesem Fall würde in Syrien eine Eskalation ungeahnten Ausmasses drohen, eine direkte militärische Konfrontation zwischen Russland und den USA. Das wäre eine alptraumhafte Vorstellung.
Ein aktueller Gesetzesvorschlag sieht vor, dass Söldnerarmeen in Russland legalisiert werden sollen.
Nun kommen aber immer mehr Details ans Licht. Wie lange kann der Kreml seine Geheimnistuerei erfolgreich aufrechterhalten?
In Russland ist so eine Vertuschung simpel. Die staatlichen TV-Sender werden alle vom Kreml kontrolliert, entsprechend werden diese Vorfälle in Syrien gar nicht thematisiert. Da sich die meisten Russen bei den staatlichen Sendern informieren, weiss die Mehrheit gar nichts von diesen Ereignissen. Der kritischen Öffentlichkeit, bei jungen Leuten und denen, die sich im Internet oder bei kritischen Zeitungen informieren, sind die Vorgänge allerdings seit längerem bekannt.
Bleibt also alles beim Alten oder gibt es Bewegung in der Sache?
Tatsächlich sind die Söldner inzwischen ein Thema in der Politik. In der Duma wird ein Gesetzesvorschlag diskutiert, der solche Söldnerarmeen legalisieren würde. Parlamentarier stören sich etwa daran, dass die im Ausland ums Leben gekommenen Russen in einem Krieg gefallen seien, zu dem die Regierung schweige. Das sei ein unhaltbarer Zustand.
Das Gespräch führte Simon Leu.