Die Republik Moldau liegt im Streit mit Gazprom. Jetzt droht der russische Gaslieferant der ehemaligen Sowjetrepublik mit einem Gaslieferstopp – und das kurz vor Winterbeginn. Wenn bis am 1. Dezember kein neuer Liefervertrag unterzeichnet sei, würden die Exporte in die ehemalige Sowjetrepublik eingestellt, hiess es vom russischen Gasriesen.
Der alte Liefervertrag lief Ende September aus, seither verhandeln die moldauische Regierung und Gazprom über eine Verlängerung des Vertrags. Dabei macht Gazprom auch offene Rechnungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Dollar geltend. Ausserdem soll der Gaspreis steigen.
Doch es geht auch um Politik: «In der Republik Moldau ist erstmals eine Präsidentin an der Macht, die sich für Reformen und gegen die Korruption einsetzt», sagt der Osteuropa-Experte Stefan Meister von der deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Im Juli war die westlich orientierte Partei PAS von Präsidentin Maia Sandu gestärkt aus der Parlamentswahl hervorgegangen. Die PAS-Politikerin Natalia Gavrilita wurde Ministerpräsidentin.
Moskau macht Druck
«Die Gaskrise zum jetzigen Zeitpunkt wird von Russland dazu benutzt, Druck auf die Regierung auszuüben und sie als unfähig hinzustellen, mit Moskau zu verhandeln», glaubt Meister. Man wolle die Regierung so schwächen. Und der Druck aus Moskau scheint zu wirken: «Für die Regierung ist die Situation ernst», sagt der Osteuropa-Experte.
Sie müsse damit rechnen, die Unterstützung des Volkes zu verlieren, wenn die Menschen in Moldau im Winter frieren müssen. Auch stoppe die Gaskrise die von der Regierung angestossenen Reformprozesse – weil sie kaum mehr dazu komme, sich um anderes zu kümmern als um das Gas, so Meister.
Pikant: Bei den von Gazprom eingeforderten offenen Rechnungen geht es laut Meister um Gas, das an das abtrünnige Gebiet Transnistrien geliefert wurde. Die Republik Moldau stellt sich auf den Standpunkt, dass Transnistrien das Gas selber bezahlen müsse, schliesslich stehe das Gebiet unter russischer Kontrolle.
Wer sonst kann Gas liefern?
Die zwischen dem EU-Mitglied Rumänien und der Ukraine gelegene Moldau hat wegen des Gasstreits inzwischen den Notstand ausgerufen. Dieser Schritt war nötig, damit das völlig verarmte Land versuchen kann, bei anderen Anbietern als Gazprom Gas zu beziehen. Jetzt versucht die Regierung, Gas aus den umliegenden Ländern wie Rumänien, der Ukraine oder auch Polen zu erhalten.
Doch das könne nur eine kurzfristige Lösung sein, ist Meister überzeugt. Denn die Moldau werde dort angesichts der stark gestiegenen Weltmarktpreise für Gas viel mehr für die Energie bezahlen müssen, als bislang bei Gazprom. Ausserdem hätten auch diese Länder kaum Gas zu verkaufen, weil der fossile Energieträger derzeit überall knapp sei.
Die Regierung der Moldau sei jetzt gezwungen, alles daranzusetzen, dass das Land mit genügend Gas über den Winter komme. «Dafür wird sie Gelder umleiten müssen, die eigentlich für anderes geplant waren», sagt Meister.
Doch: Auch Gazprom habe ein Interesse daran, international als glaubwürdiger Gaslieferant dazustehen, so der Osteuropa-Spezialist. Schliesslich wolle man die umstrittene Pipeline Nordstream II in der Ostsee möglichst rasch in Betrieb nehmen. Deshalb sei eine Einigung vor dem Winter wohl wahrscheinlich.