Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich mit einer Unterschrift unter einem neuen Immunitätsgesetz dauerhaft den Schutz vor einer Strafverfolgung gesichert. Auch seine Familie muss nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt nicht mit Ermittlungen rechnen. Das Gesetz wurde am Dienstag veröffentlicht.
Hohe Hürden für den Entzug der Immunität
Bisher galt das Gesetz über die Unantastbarkeit für alle Handlungen während der Amtszeit. Von nun an geht es auch um mögliche Straftaten, die nach dem Ausscheiden bekannt werden. Das neue Gesetz sieht zudem höhere Hürden für den Entzug der Immunität vor – und ein kompliziertes Verfahren dazu. Möglich ist ein Entzug der Immunität nur dann, wenn der Vorwurf des Hochverrats im Raum steht oder bei einem schweren Verbrechen.
Die Staatsduma, das Unterhaus des Parlaments mit 150 Abgeordneten, müsste ein Verfahren zum Immunitätsentzug einleiten. Die endgültige Entscheidung obliegt dem Oberhaus, dem Föderationsrat. Darüber hinaus muss das Oberste Gericht ebenfalls seine Zustimmung geben – und das Verfassungsgericht ein Gutachten liefern. «Das Immunitätsgesetz in Russland geht weit über das hinaus, was man aus anderen Ländern kennt», sagt Markus Ackeret, Korrespondent für die NZZ in Moskau.
In Zukunft muss verhindert werden, dass ein Ex-Präsident vor Gericht gestellt wird. Was ist, wenn die Opposition an die Macht kommt?
Der Duma-Abgeordnete Juri Sinelschtschikow von der Kommunistischen Partei begründete das neue Gesetz so: «In Zukunft muss verhindert werden, dass ein Ex-Präsident vor Gericht gestellt wird. Was ist, wenn die Opposition an die Macht kommt?» Diese hat in der Tat bereits angekündigt, bei einem Machtwechsel alle Hebel in Bewegung zu setzen, um Putin strafrechtlich zu verfolgen.
Machtwechsel nicht in Sicht
Die Frage sei aber, wie realistisch ein Machtwechsel in Moskau überhaupt ist, sagt Ackeret: «Putin und seine Entourage sitzen im Moment trotz aller Probleme und dem Unmut in der Bevölkerung relativ fest im Sattel. Es bleibt also eine sehr theoretische Erwägung.»
Derzeit habe das neue Gesetz keine weitreichenden Änderungen zur Folge, so Ackeret: «Der amtierende Präsident ist ja ohnehin gegen Klagen geschützt, und bis 2024 ist Putin noch im Amt.» Der 68 Jahre alte Putin hatte sich erst im Sommer mit einer Verfassungsänderung weitreichende Befugnisse gesichert. Er kann theoretisch bis 2036 im Amt bleiben.
Das Immunitätsgesetz sei eine weitere Möglichkeit für Putin, sich abzusichern und alle Optionen offenzuhalten, so Ackeret. Putin habe sich immer offengelassen, ob er bei der nächsten Wahl erneut antritt. «Je mehr Spielraum er hat, auch was die Zeit nach einem Rückzug anbelangt, desto flexibler ist er in seiner Entscheidung, ob er 2024 wieder antreten wird oder eben doch nicht.»