Russland, das dem Europarat 1996 beitrat, war schon immer ein problematisches Mitglied. Von Anbeginn war umstritten, ob das Land überhaupt in die wichtigste europäische Organisation für Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie passt. Aufgenommen wurde es, weil man hoffte, auf diese Weise die Demokratisierung des Landes zu fördern. Das gelang am Anfang halbwegs, aber mit der Zeit immer schlechter.
Ständig und teils massenhaft musste der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der Teil des Europarats ist, Urteile gegen Russland fällen. Nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim wurde der russischen Delegation zur Strafe im Parlament des Europarats das Stimmrecht entzogen. 2019 erhielten es die russischen Abgeordneten in Strassburg dank eines mühsam ausgehandelten Kompromisses zurück.
Könnte wieder ein Thema werden: Todesstrafe in Russland
Die Mitgliedschaft im Europarat lag hauptsächlich im Interesse der 145 Millionen Russinnen und Russen. Sie konnten so nationale Urteile zu Menschenrechtsfragen, an den Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg weiterziehen. Sie erhielten dort in der überwiegenden Mehrheit der Fälle Recht.
Moskau setzte die meisten, wenn auch nicht alle Urteile dieser obersten Instanz um – zwar grollend und ohne daraus die nötige Lehre zu ziehen, die eigene Rechtsordnung und Justizpraxis zu verbessern. Die Mitgliedschaft im Europarat sorgte auch dafür, dass Russland auf die Todesstrafe verzichten musste. Der Kreml dürfte sie nun bald wieder einführen.
Der Austritt aus dem Europarat wird, gemäss Satzung, auf Ende Jahr wirksam. Klar ist indes, dass damit Russland in Europa künftig noch stärker isoliert ist. Allerdings machte der beschleunigte Wandel von einer Halbdemokratie zu einer totalen Diktatur Russland in jüngster Zeit ohnehin zu einem Fremdkörper in der paneuropäischen Organisation mit ihren 47 Mitgliedstaaten.