Der Unmut wegen des Vorfalls in Belarus, wo ein Passagierflugzeug einer europäischen Fluggesellschaft zur Landung in Minsk gezwungen wurde, ist europaweit gross. Er ist sogar so gross, dass sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs in Rekordzeit auf ein ganzes Bündel an Sanktionsmassnahmen gegen das Regime Alexander Lukaschenkos einigen konnten.
Die beschlossenen Massnahmen gehen um einiges weiter, als dies bis anhin der Fall war. Gerade weil man die sowieso schon stark unter Druck gesetzte Zivilbevölkerung in Belarus möglichst nicht tangieren wollte, setzte die EU seit dem letzten Spätsommer auf gezielte Sanktionen gegen Personen und Unternehmen, die in einer engen Verbindung mit Lukaschenko stehen. Diese Liste wird nun wegen des Vorfalls in Minsk um weitere Namen und Unternehmen ergänzt.
Die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs gehen nun härter gegen das Regime Lukaschenkos vor, indem man sich auch auf mögliche Wirtschaftssanktionen einigen konnte. Diese sind zwar im Detail noch nicht bekannt und müssen noch ausgearbeitet werden. Sollten diese Wirtschaftssanktionen aber nicht nur Symbolpolitik sein, sondern auch eine Wirkung erzielen, dann müssen sie einen deutlichen Effekt auf Lukaschenkos Geldflüsse haben. Auch die Massnahmen, welche den Flugverkehr zwischen der EU und Belarus betreffen, werden für Lukaschenko, aber auch für die Zivilbevölkerung, spürbare Auswirkungen haben.
Brüssel reagiert schnell
Der Europäische Rat hat ungewohnt schnell reagiert und die Sanktionen noch gestern Abend auf den Weg gebracht. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Staatschefs und Regierungschefinnen sowieso gerade für zwei Tage in Brüssel treffen.
Die schnelle Reaktion lässt sich aber auch damit erklären, dass Lukaschenko eine weitere rote Linie überschritten hat. Es ist in jüngster Zeit beispiellos, dass ein Passagierflugzeug einer europäischen Fluggesellschaft, das von einem EU-Staat zu einem anderen EU-Staat unterwegs ist, von einem Kampfjet zur Landung gezwungen wird. Europäische Spitzenpolitikerinnen und -politiker wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten daraufhin klare Konsequenzen angedroht. Die Staats- und Regierungschefinnen sind mit den beschlossenen Massnahmen solchen Forderungen gefolgt und haben ein deutliches Zeichen an die Adresse Lukaschenkos gesetzt.
Lukaschenko zählt auf die Unterstützung aus Moskau
Ob die beschlossenen Sanktionen gegen den Machtapparat Lukaschenkos einen spürbaren Effekt haben werden, in dem Lukaschenko an gewissen Forderungen aus Brüssel nachkommen würde, ist heute schwierig abschätzbar.
Eine wichtige Rolle wird dabei weiterhin Russland spielen. Solange Alexander Lukaschenko auf die Unterstützung aus dem Kreml zählen kann, wird er sich vorerst wohl wenig bis gar nicht auf Brüssel zubewegen.