- Der deutsche Martin Selmayr wurde im Februar zum Generalsekretär der EU-Kommission ernannt.
- Der bisherige Kabinettschef wurde vom Präsidenten der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, für den Posten portiert.
- Selmayr bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle als Vize-Generalsekretär. Dann wurde er zuerst auf diese Stelle und wenige Minuten später zum Generalsekretär befördert.
- Im Europäischen Parlament werden heftige Vorwürfe gegen dieses «putschartige» Verfahren laut.
Die Beförderung von Martin Selmayr zum Generalsekretär der EU-Kommission Anfang März gibt innerhalb der EU mächtig zu reden. Selmayr war Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und wurde am 21. Februar zum Generalsekretär der Kommission berufen. Seit 1. März steht der 47-Jährige Deutsche damit an der Spitze der rund 32'000 Beamten der Behörde.
Kritische Stimmen monieren nun, dass der Posten nicht ausgeschrieben wurde und es keine Gegenkandidaten gab. Dabei wussten Juncker und Selmayer seit 2015, dass der Spitzenposten frei würde. Sie hielten dies aber bis zum Tag vor der Neubesetzung geheim.
Selmayr bewarb sich in der Zwischenzeit auf die ausgeschriebene Stelle als Vize-Generalsekretär. Am 21. Februar wurde er erst als Vize und wenige Minuten später auf den Spitzenposten als Generalsekretär befördert.
Mächtiger Einflüsterer im Hintergrund
Jahrelang war Martin Selmayr «nur» der engste Berater von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker – als Kabinettschef ein einflussreicher Einflüsterer im Hintergrund. Nach der Ernennung durch Juncker konnten die EU-Kommissare den Personalentscheid am Ende nur noch abnicken.
Darum gehen jetzt im Europäischen Parlament die Wogen hoch: Die niederländische EU-Parlamentarierin Sophie in ‘T Veld äusserte sich entrüstet: «Es macht mich komplett sprachlos, wenn ich daran denke, dass die EU-Kommissare, die gewählt wurden, um Europa zu regieren, von einem Beamten an der Nase herumgeführt werden.»
Ganz oben in seinem Büro im 13. Stock des Hauptgebäudes der EU-Kommission zieht Martin Selmayr die Strippen, wenn es um die wichtigen Entscheide in der Europäischen Union geht. Doch mit der umstrittenen Beförderung ist jetzt die Macht von Selmayr ins Wanken geraten.
Grund dafür sind Recherchen des französischen Journalisten Jean Quatremer, EU-Korrespondent der Zeitung «Libération»: «Martin Selmayr fügt der EU-Kommission und der europäischen Idee unglaublich schweren Schaden zu. Denn die Affäre führt uns eine technokratische EU vor Augen, in der die Politiker die Macht an zielstrebige Eurokraten abgeben.»
Verwunderung bei Selmayr
In der Affäre hat Selmayr selbst erst einmal öffentlich Stellung bezogen: «Die Sache ist so gelaufen, dass die Kommission mich ernannt hat. Das darf die Kommission und insofern ist überraschend, was darüber berichtet wird, was darüber durchgestochen wird. Da werden Sachen behauptet, da muss man sich schon sehr wundern, dass man das glaubt. Man sollte mal die Plausibilität dieser ganzen Punkte untersuchen.»
Ein Ausschuss des EU-Parlaments hat genau das getan und den Ernennungsvorgang untersucht. In einem Resolutionsentwurf des Ausschusses wird die Beförderung Selmayrs als «putschartige Aktion» kritisiert. Die «Grenzen des Rechts» seien «möglicherweise überdehnt» worden.
Am 18. April beschäftigt sich das Europäische Parlament erneut mit der Affäre. Juncker hat bereits angedroht: Sollte Martin Selmayr zum Rücktritt gedrängt werden, trete er auch zurück.