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Untergang der Estonia wird neu aufgerollt
Aus Rendez-vous vom 22.08.2022. Bild: Keystone/EPA/Li Samuelson
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Schiffskatastrophe von 1994 Wrackfilmer der Estonia stehen erneut vor Gericht

Beim Prozess geht es noch einmal darum, ob die Totenruhe durch das Filmen des Wracks gestört wurde.

28 Jahre nach dem Untergang der Fähre Estonia in der Ostsee wird der Fall an einem schwedischen Gericht einmal mehr aufgerollt. Dabei geht es mehr um juristische Spitzfindigkeiten als um eine Lösung des Rätsels um die schwerste Schifffahrtskatastrophe in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Ein Rettungsboot der Estonia liegt verkehrt auf der Wasseroberfläche
Legende: 852 Personen kamen in der Baltischen See beim Untergang der Estonia ums Leben: Rettungsboot nach dem Untergang. KEYSTONE/EPA/Leif R Jansson

Bei schwerem Sturm sank die M/S Estonia in der Nacht vom 28. auf den 29. September 1994 in internationalen Fahrwassern in der Ostsee. Von den 989 Menschen an Bord der Fähre auf dem Weg von Tallinn nach Stockholm konnten gerade einmal 137 gerettet werden. Für 852 wurde das Wrack auf dem Meeresboden zum Grab.

Mutmassliche Explosion an Bord

Bis heute sind die genauen Ursachen der Katastrophe nicht schlüssig geklärt: Während verschiedene internationale Untersuchungen ergaben, dass durchgerostete Scharniere am Bugvisier zum Unglück beitrugen, mutmassen andere über eine durch Unbekannte ausgelöste Explosion an Bord. Letztere fühlten sich in den letzten Jahren zu weiteren Untersuchungen ermutigt, da Bilder von Tauchgängen ein grosses Loch an der Seite der gesunkenen Fähre zeigen.

Allerdings hätten diese Bilder gemäss schwedischem Recht gar nie gemacht werden dürfen: Laut diesem gilt nämlich für das Estonia-Wrack die sogenannte Totenruhe. Während die Überreste einiger Dutzend ertrunkener Passagiere über die Jahre an die Küsten der umliegenden Länder gespült wurden, blieb die versunkene Fähre für die Allermeisten der Umgekommenen, die letzte Ruhestätte.

Ein riesiger Teil einer Schiffsklappe wird von einem grossen Kran aus dem Wasser gezogen
Legende: Die Bugklappe der M/S Estionia wurde 2002 geborgen und ist nun Teil eines Mahnmals. KEYSTONE/AP Photo/Ola Torkelsson

Da die M/S Estonia in internationalen Gewässern sank, bestanden von Beginn weg grosse rechtliche Unklarheiten darüber, wer in der Aufarbeitung der Katastrophe die Federführung hat. Die estnische Fähre wurde von einer deutschen Werft gebaut, der Unfall ereignete sich unweit der finnischen Seegrenze und die allermeisten Passagiere stammten aus Schweden.

Schwedisches Recht

Verschiedene Gerichte in verschiedenen Ländern – darunter vor drei Jahren auch ein französisches – konnten sich nicht auf die Frage des Schadenersatzes einigen. Letztes Jahr dann sprach das Göteborger Bezirksgericht zwei schwedische Journalisten von der Verletzung der Totenruhe frei, weil diese von einem deutschen Schiff aus die Tauchgänge zum Wrack durchgeführt hatten. Dagegen ging die schwedische Staatsanwaltschaft in Berufung bei einer höheren Instanz, die nun den Fall an das Bezirksgericht zurückgeschickt hat.

Durch Roboter gestörte Totenruhe

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Im Februar 2021 waren zwei Schweden freigesprochen worden, den Grabfrieden gegenüber dem Wrack der Estiona gestört zu haben. Mit dem Einsatz eines Tauchroboters und dem Filmen des Wracks hätten sie zwar Handlungen ausgeführt, die nach dem sogenannten «Estonia»-Gesetz strafbar seien, hatte das Gericht damals geurteilt. Doch die Angeklagten konnten nicht verurteilt werden, weil sie dies von einem unter deutscher Flagge fahrenden Schiff aus in internationalen Gewässern getan hatten.

So müssen sich die Richterinnen und Richter in der westschwedischen Hafenstadt Göteborg ab Montag erneut mit dem Fall beschäftigen – und zwar nicht mit Blick auf das internationale, sondern auf das schwedische Recht – das die Totenruhe festschreibt.  

Eine Klärung der ungeklärten Fragen rund um den Untergang der Estonia wird dieser Prozess wohl nicht bringen. Ebenso wenig wird das lange Leiden der Angehörigen beendet. So bleibt die Fährkatastrophe vom Herbst 1994 in Schweden und Nordeuropa eine offene Wunde.

Video
Aus dem Archiv: Keine Schadenersatz für «Estonia»-Unglück
Aus Tagesschau vom 19.07.2019.
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Rendez-vous, 22.08.2022, 12:30 Uhr

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