In Mossul kämpft längst nicht eine verschworene Gemeinschaft von Gegnern gegen den IS. Die irakische Armee ist eine Chimäre, es gibt nicht die irakische Armee. Die Kräfte, die in Mossul gegen den IS kämpfen, sind vielfältig, und sie verfolgen alle ihre eigenen Interessen.
Nebst der regulären Armee mit ihren Anti-Terror-Einheiten – der Goldenen Division und all den anderen Brigaden – kämpfen in Mossul Einheiten der Bundespolizei, lokale Polizei-Einheiten, von der Türkei unterstützte Kämpfer des früheren Gouverneurs von Mossul, Stammeskämpfer sowie die gefürchteten Volksmobilisierungs-Kräfte.
Mossul entscheidet die Wahlen 2018
Vor allem die Volksmobilisierung-Kräfte spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die Zukunft des Iraks geht. Sie unterstehen zwar im Kampf um Mossul formal der Armeeführung, bilden aber doch eine eigene Armee innerhalb oder eher neben den regulären Einheiten.
Diese Volkmobilisierung-Kräfte oder Hashd al-Shaabi, wie sie auf Arabisch heissen, kamen 2014 auf, als sie für den auseinanderfallenden Sicherheitsapparat in die Bresche sprangen und den Vormarsch des IS stoppten. Inzwischen dürften mehr als 60’000 Kämpfer in solchen Hashd al-Shaabi-Verbänden organisiert sein.
Wenn 2018 im Irak Wahlen anstehen und Premierminister Haidar al-Abadi um seine Wiederwahl wird kämpfen müssen, werden die Volksmobilisierung-Kräfte eine entscheidende Rolle spielen. Während al-Abadi versucht, die Hashd al-Shaabi in den Sicherheitsapparat einzugliedern, kämpfen drei mächtige Blöcke gegen ihn.
Die wichtigsten Kräfte im Irak:
Nuri al-Maliki: Der ehemalige Premierminister wird vom Iran unterstützt und versucht, mit loyalen Hashd-al-Shaabi-Gruppierungen die Macht wieder an sich zu reissen. Der Schiit hatte den Irak bis 2014 in immer autokratischerer Manier regiert und mit seinem Verhalten viel zu den religiösen Spannungen im Irak beigetragen.
Maliki hatte den Irak mehr oder weniger als sein Eigentum betrachtet, in dem vor allem Sunniten keine Perspektiven hatten. Er war 2014 nach dem Sturm des IS auf Mossul von den Amerikanern fallen gelassen und durch Haidar al-Abadi ersetzt worden. Al-Maliki sucht das Comeback mit Hilfe seiner vom Iran unterstützten Volksmobilisierungs-Kräfte, welche er nach Vorbild der iranischen Revolutionsgarden keinesfalls in eine nationale Sicherheitsstruktur eingebunden sehen will, sondern als eigenständige Kraft weiterführen möchte.
Muqtada al-Sadr: Der populistische (und populäre) schiitische Prediger al-Sadr will sowohl al-Abadi als auch al-Maliki bedrängen. Seine Hashd al-Shaabi gelten als ausserordentlich stark und gut organisiert. Al-Sadr investiert in Mossul bereits für die Wahlen 2018: seine Einheiten versuchen, arbeits- und perspektivlose Sunniten aus Mossul und Umgebung aufzufangen und sie in ihre Verbände einzugliedern. Damit gewinnen al-Sadrs Kräfte massiv an Gewicht, das der gewiefte Prediger in den Wahlen geschickt auszuspielen wissen wird.
Ali al-Sistani: Das geistliche Oberhaupt der Schiiten im Irak hat sich bislang als eher besonnen erwiesen. Al-Sistani, dessen Wort im Irak Gewicht hat wie kein zweites, scheint zurzeit eher die Integrationsbemühungen von Premierminister al-Abadi zu unterstützen. Diese Unterstützung wird Haidar al-Abadi benötigen, sollte er seinen Kurs der Integration und der Reformen fortsetzen wollen.