In der Regel verreist Olaf Scholz nie ohne seine Aktentasche. Oft repariert, «Vintage», würden junge Leute sagen. Was drin ist, weiss die ganze Republik: Akten natürlich, aber vor allem das rote Parteibuch der SPD. Es soll zeigen: Scholz ist Sozialdemokrat, Tag und Nacht, im In- und Ausland, in guten wie in schlechten Zeiten.
Diesmal, in Kiew, kam Scholz mit einem silbernen Koffer an – neugierige Reporter fragten sich sofort: Was ist da los?
Sofort wurde hämisch kommentiert: viel Koffer, wenig Hilfe. Viel Wahlkampf, wenig konkrete Unterstützung. Scholz musste schliesslich an der Pressekonferenz mit Präsident Selenski erklären, dass sich im Koffer Reiseutensilien befänden, «Wäsche und was man so braucht». Interessant.
Panzer, Raketen – aber keine weitreichende Waffen
Fast wäre die eigentliche Botschaft untergegangen – nämlich, dass Deutschland weitere Waffen liefert, Panzer, Raketen, zwei Flugabwehr-Systeme. Dafür aber keine weitreichende Waffen. Da bleibt Scholz bei seiner Linie.
Schon am Wochenende war die Art der deutschen Hilfe Hauptthema – Kanzler Scholz gab Interviews im Fernsehen, warnte vor eben diesen weitreichenden Waffen. Sie wären die ultimative Provokation an die Russen – und bedeuteten im Extremfall Krieg. Er aber, so Scholz, wolle Frieden.
Frieden. Das wird das zentrale Wahlkampfthema der SPD. Die Genossen wissen: So holen sie viele Menschen ab. Deutschland ist kriegsmüde, die Leute können die News aus Kiew oder Moskau nicht mehr hören. Haben Angst. Sahra Wagenknecht und ihr Bündnis holten mit diesem Gefühl aus dem Stand stattliche Resultate, regieren im Osten bald mit. Auch die AfD, die «Alternative für Deutschland», setzt ebenfalls stark auf das Thema – was Parteichef Tino Chrupalla dazu brachte, den Kanzler zu loben für seine Zurückhaltung punkto weitreichender Waffen.
Zurückhaltung also. Damit grenzen sich die Sozialdemokraten auch von der CDU ab – Friedrich Merz und seine Partei wollen weitreichende Waffen, um Ziele weit auf russischem Boden angreifen zu können. Weil Scholz dies ablehne, sei sein Besuch «verlogen», schimpfte ein einflussreicher CDU-Politiker.
Kritik von allen Seiten – der Wahlkampf ist in vollem Gang
Ebenfalls fast nur Kritik übrig haben die Grünen. Man sieht: Auch die Rumpf-Regierung von SPD und Grünen ist am Ende, inhaltlich werden die Differenzen jeden Tag grösser, grösser dargestellt vor allem. Alle setzen sich ab, fast explosionsartig zerspringen letzte Partikel an Rest-Gewissheiten der Rest-Regierung. Jeder kämpft für sich allein.
Für die Wählerinnen und Wähler in Deutschland ist das genau genommen ein Vorteil, auch wenn das derzeitige Chaos viele verunsichert: Die Meinungen der Parteien gehen weit auseinander, im Wahlkampf treten die Markenkerne wieder hervor – drei Jahre lang unterdrückte Wünsche und Vorstellungen in der Ampel erhalten nun wieder freien Lauf.
Die Menschen wissen: In der Aktentasche von Scholz steckt ein rotes Parteibuch, im Koffer ist Ersatzwäsche und die CDU will weitreichende Waffen. Sogar die FDP wird in den nächsten Wochen noch herausfinden, was sie will. Die Grünen wollen mehr Klimaschutz, Wagenknecht und die AfD weniger Migration. Der Wahlkampf ist eröffnet, gewählt wird am 23. Februar. Machen Sie Ihr Kreuz.