Zuerst schloss die Regierung am Montag die Grenzen, seit Freitag herrscht nun Ausgangssperre. Zwar ist die Zahl der Corona-Infizierten in Argentinien mit 128 noch vergleichsweise gering – aber gerade deshalb versucht das Land, sich abzuschirmen. Das Gesundheitssystem ist ohnehin überlastet und unterfinanziert, eine schnelle Verbreitung des Virus wäre fatal.
Von der Hand in den Mund
Ein Lockdown ist allerdings in einem ungleichen Land wie Argentinien ein Drahtseilakt: Schätzungsweise 49 Prozent der Argentinier arbeiten schwarz und in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Sie leben von der Hand in den Mund. Zu Hause bleiben bedeutet: kein Essen für die Familie. Deshalb verstärkt die Regierung nun die Programme für Bedürftige. So findet etwa zwar seit Montag kein Schulunterricht mehr statt. Doch die Schulen ganz zu schliessen, so weit ging Präsident Alberto Fernández nicht. Selbst während der Ausgangssperre bekommen viele Kinder in der Schule das einzige warme Essen am Tag.
Dass es nicht einfach würde, Argentinien zu regieren, war Fernández klar, als er das Amt im Dezember antrat: Ein überschuldetes Land, mit 40 Prozent Armut. Eine der ersten Massnahmen der neuen Regierung war deshalb ein Anti-Hunger-Programm für die Ärmsten: Mindestens 1.4 Millionen Familien mit Kindern erhalten inzwischen eine monatliche Unterstützung.
Gleichzeitig versuchte Fernández, die Wirtschaft zu stabilisieren und die Schulden, die das Land bei privaten Gläubigern und beim Internationalen Währungsfonds hat, neu zu strukturieren – mit Deadline 31. März. Ob dieser Termin unter den derzeitigen Vorzeichen eingehalten werden kann, ist genauso ungewiss wie das Gelingen der Restrukturierung.
Lob von unerwarteter Seite
Für die ersten Monate der Regierungszeit gibt es dennoch Lob von unerwarteter Seite. Gastón Maltrasio berät Anleger beim Investmentfonds «Southern Trust»: «Als die Märkte spürten, dass die Massnahmen der Regierung in Richtung Wiederbelebung der Wirtschaft gingen, reagierten sie positiv. Leider bringt die Welt uns nun durch das Coronavirus wieder in eine Situation der Instabilität, ohne dass die Schuldenproblematik gelöst ist. Nun heisst es: Zurück auf Los.»
Vermutlich ist das noch vorsichtig formuliert. Wie soll Argentinien bei leeren Staatskassen das Virus eindämmen, die Wirtschaft unterstützen und gleichzeitig Sozialprogramme auflegen, damit es nicht zu sozialen Unruhen kommt?
Die letzten Tage haben klargemacht, dass es nicht genügt, an die Vernunft zu appellieren. Es gab Staus in Richtung Strand, die Cafés, Bars waren voll – als hätte man Ferien.
Froh um einen Gesundheitsminister
Wer vor der Grenzschliessung aus einem Risikoland nach Argentinien einreiste, wurde in den letzten Wochen zu einer 15-tägigen Quarantäne verpflichtet. Doch längst nicht alle hielten sich daran. In einem Wohnblock schlug ein junger Mann einen Wachmann krankenhausreif, als dieser ihn darauf hinwies, dass er seine Quarantäne einhalten müsse. Gestern floh ein erkrankter Argentinier aus einem Spital in Uruguay – und stieg auf eine Fähre nach Buenos Aires, 400 andere Passagiere waren an Bord.
In Umfragen gibt die Mehrheit der Argentinier an, hinter der Entscheidung ihres Präsidenten zu stehen. Viele sind auch froh, dass es neuerdings überhaupt wieder einen Gesundheitsminister gibt. Die Vorgängerregierung von Mauricio Macri hatte dieses Amt einfach weg gespart.