Vor dem vergangenen Wochenende gingen in Amman zum zweiten Mal in einem Monat Hunderte Lehrerinnen und Lehrer auf die Strasse. Sie forderten lauthals eine Lohnerhöhung von im Durchschnitt umgerechnet rund 90 Franken pro Monat. Es ist dies bloss eine kleine Aufbesserung ihrer mageren Löhne.
Die Lehrpersonen verdienten bislang mit umgerechnet rund 180 Franken so wenig, dass viele nach der Schule zusätzlich als Taxifahrer oder Kassiererinnen in Supermärkten arbeiten müssen.
Schläge und Verhaftungen
Als die Lehrerinnen und Lehrer erstmals am 5. September auf die Strasse gingen, reagierten die jordanischen Sicherheitskräfte ungewöhnlich hart. Sie schlugen einige und verhafteten über 50 Demonstrierende
Erst danach traten die Lehrpersonen in den Streik und forderten von der Regierung eine Entschuldigung. Doch diese ging nicht auf die Forderungen ein – im Gegenteil. Sie erklärte den Streik für illegal. Das jordanische Verwaltungsgericht beorderte die streikenden Lehrkräfte zurück an die Arbeit.
Wer dem Urteil nicht Folge leiste, werde entlassen oder verhaftet, drohte die Regierung noch letzte Woche. Doch die Lehrkräfte liessen sich nicht einschüchtern.
Eltern solidarisieren sich mit den Lehrern
Die Eltern vieler Schulkinder wussten nicht mehr, was sie machen sollten. «Die Regierung sagte, wir sollten die Kinder in die Schule schicken, der Streik sei vorbei. Doch der Schulbusfahrer sagte, er fahre nicht, weil die Lehrer immer noch streikten», klagt eine Mutter. Drei Tage hintereinander wusste sie nicht, ob sie ihre beiden Töchter nun zur Schule bringen sollte oder nicht.
Am Wochenende nun gingen Eltern aus Solidarität mit den Lehrkräften auf die Strasse. Sie forderten von der Regierung eine rasche Lösung. Tatsächlich kam es daraufhin zur Kehrtwende: Wie Staatsmedien berichten, griff König Abdullah II. persönlich ein. Er soll seinem Premierminister Omar Razzaz befohlen haben, auf die Forderungen der Lehrkräfte einzugehen.
Entschuldigung und Lohnerhöhung
Schon kurz darauf erhielten die Lehrpersonen die geforderte Entschuldigung wegen der Polizeigewalt gegen sie. Alle hängigen Verfahren gegen einzelne Lehrer wurden fallengelassen.
Die Lohnerhöhung fällt je nach Dienstalter unterschiedlich aus. Zudem wird ihre Anzahl Sollstunden reduziert. Ausserdem bekommen die Lehrerinnen und Lehrer günstigeren Zugang zur Gesundheitsversorgung und günstigere Zinsen für Hypotheken. Es ist ein Sieg für die Lehrpersonen auf der ganzen Linie.
Zwar warnte der jordanische Premierminister deshalb vor einem höheren Staatsdefizit. Aber die Kinder gehen wieder zur Schule, die Lehrkräfte haben sogar versprochen, die verpassten Schulstunden nachzuholen. Die Krise ist vorläufig entschärft.
Rasche Wirtschaftsreformen nötig
Ein Nachspiel dürfte die Episode trotzdem haben, denn die Regierung steht nicht gut da, nachdem sie das Land fast in eine Staatskrise gestürzt hat. Kommt dazu, dass mehr als 60 Prozent der jordanischen Bevölkerung zu wenig verdienen, um über die Runden zu kommen.
Die Regierung muss die längst versprochenen wirtschaftlichen Reformen jetzt schnell anpacken – wie auch den Kampf gegen die Korruption.