Nach dem Grossangriff der Hamas auf Israel soll die Schweiz die Hamas nun als Terrororganisation verbieten. Pro-israelische Kreise fordern dies schon lange, jetzt fordert auch die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats ein Verbot. Auch Bundesrat Ignazio Cassis findet klare Worte: «Der Bundesrat erachtet das, was die Hamas jetzt gemacht hat, ganz klar als terroristische Attacke und hat die Hamas als terroristische Organisation definiert.»
Die Schweiz habe bisher nie zwischen Israel und der Hamas vermittelt, erklärte Ignazio Cassis an einer Medienkonferenz in Genf. Es habe zwar Kontakte gegeben, um in Einzelfällen Botschaften zu überbringen. Doch «im Moment gibt es keine Kontakte mit den Hamas», stellte Bundesrat Cassis klar.
Ein Verbot bräuchte Monate
Neben dem Entscheid, die Hamas als Terrororganisation zu bezeichnen, stellt sich vor allem die Frage: Soll diese Terrororganisation in der Schweiz auch formell verboten werden? Diesen Schritt ist die Schweiz bislang nur bei den islamistischen Organisationen Al Kaida und IS gegangen. Nötig ist dafür nach geltender Rechtslage ein Verbot durch die Vereinten Nationen. Im Falle der Hamas gibt es das nicht.
Der Bundesrat lässt jetzt die nötigen Gesetzesanpassungen prüfen. Er könnte vorschlagen, den Verweis auf die UNO aus dem geltenden Gesetz zu streichen. Oder ein Gesetz vorlegen, das sich speziell auf die Hamas bezieht und diese verbietet. Beides bräuchte Monate.
Sorge um Verlust des Vermittlerstatus
Im Bundeshaus scheint ein Verbot aktuell mehrheitsfähig zu sein, Kritik kommt von ausserhalb. «Wenn man in einem Konflikt vermitteln will, muss man mit den Akteuren, die eine wichtige Rolle spielen in diesem Konflikt, bereit sein, zu sprechen», sagt etwa Laurent Goetschel, Direktor des Friedensforschungsinstituts Swisspeace.
Goetschel befürchtet, dass nur schon Gespräche nach einem Verbot schwieriger würden, geschweige denn eine allfällige Vermittlung. Die Schweiz habe wenig zu gewinnen und verbaue sich Möglichkeiten. «Die Frage ist: Was wäre der Mehrwert, die Organisation auf einer solchen Liste zu führen?» Schliesslich würde man dennoch mit einer solchen Organisation reden. «Aber die Kontaktaufnahme und überhaupt die Beziehungen wären grundsätzlich erschwert».
Goetschel betont, er verstehe das Entsetzen nach dem Angriff auf Israel. Friedensförderung jedoch brauche einen langen Atem. Auch erfordere die aktuelle Situation den Mut, die Gesprächskanäle trotz allem auch zur Hamas offenzuhalten. Das allerdings ist eine Position, die sich aktuell politisch kaum halten lässt.
Der Ruf nach weiteren Verboten steigt
Konkrete Auswirkungen hätte ein Hamas-Verbot vor allem auf die Reisefreiheit ihrer Mitglieder und auf die Unterstützung der Organisation aus der Schweiz heraus, auch finanziell. Unklar ist, ob sich die Schweiz damit Möglichkeiten zur Vermittlung im Kleinen verbaut, zum Beispiel bei Gesprächen zur Freilassung der Geiseln im Gazastreifen.
Auch dürfte die Schweiz künftig viel schneller unter Druck kommen, weitere Organisationen zu verbieten. Die Türkei beispielsweise würde wohl auf ein Verbot der kurdischen PKK drängen, die sie ebenfalls als Terrororganisation bezeichnet. Ob es wirklich zum Hamas-Verbot kommt, werden Bundesrat und Parlament entscheiden. Sie würden damit Neuland betreten.