Seit Januar ist Alexej Nawalny in einem russischen Straflager, vor gut drei Wochen trat er in den Hungerstreik. Er will damit erreichen, dass ihm eine angemessene medizinische Versorgung gewährt wird. Nawalny wurde nun in ein Gefängnisspital eingeliefert, weil sich sein Zustand dramatisch verschlechtert haben soll. SRF-Korrespondent David Nauer erklärt, wie die Entwicklungen in Russland wahrgenommen werden – und ob sie den Kreml in Verlegenheit bringen.
SRF News: Was weiss man über den Gesundheitszustand von Nawalny?
David Nauer: Es geht ihm sehr schlecht, zumindest sagen das seine Anhängerinnen und Anhänger. Seit er im Gefängnis ist, hat er mindestens 17 Kilogramm abgenommen. So richtig Alarm geschlagen haben Nawalnys Ärzte wegen seines Blutbildes. Dieses sei so schlecht, dass ein Herzstillstand droht – und das möglicherweise innerhalb von wenigen Tagen. Mit anderen Worten: Nawalnys Leben sei in höchster Gefahr.
Nawalny ist nicht kleinzukriegen.
Nawalny wurde nun in ein Spital eingeliefert. Ist das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
Das ist sehr schwer zu sagen. Wir wissen nichts Genaues aus wirklich objektiver Quelle über seinen Gesundheitszustand. Auf den ersten Blick ist es ein gutes Zeichen, dass der Staat auf den öffentlichen Druck in Russland reagiert.
Unabhängige Journalisten und auch Nawalnys Anhängerinnen sagen aber, dass das keine Entwarnung bedeute. Denn er sei in ein Gefängnisspital eingeliefert worden, das einen extrem schlechten Ruf habe. Die medizinische Versorgung dort sei völlig ungenügend. Mein Eindruck ist, dass sich Nawalnys Freunde und Mitstreiter jetzt noch grössere Sorgen um seinen Gesundheitszustand machen als vorher.
Am Sonntag haben die USA Russland mit Konsequenzen gedroht, falls Nawalny sterben sollte. Ist der Fall Nawalny für Putin doch langsam ein Problem?
Ich denke schon. Für Putin ist der Fall aber weniger wegen der USA ein Problem als wegen des Druckes im Inland. Nawalnys Leute machen sehr viel Druck. Er ist zwar in Haft und schwer krank. Aber er ist noch der Gegner von Putin – der Mann, der in den Nachrichten kritischer russischer Medien, auch auf sozialen Medien, präsent ist. Nawalny ist nicht kleinzukriegen.
Das ‹System Putin› scheint mir im Moment stabil zu sein. Grosse Umwälzungen würde Nawalnys Tod wohl nicht zur Folge haben.
Putin und der Kreml wollen nun offenbar zum finalen Schlag ausholen. So soll Nawalnys Organisation als extremistische Vereinigung verboten werden. Entsprechende Bemühungen der Justiz laufen bereits. Sollte das wirklich geschehen, ist jegliche politische Arbeit von Nawalny und seinen Leuten zu Ende. Sie können dann nur noch aufhören, in den Untergrund gehen oder auswandern. Ansonsten drohen ihnen sehr lange Haftstrafen.
Was hätte es für Folgen in Russland, wenn Nawalny sterben sollte?
Das kann im Moment niemand vorhersagen. Es wäre ein sehr grosser Schock und viele Menschen in Russland würden den Kreml und Putin persönlich dafür verantwortlich machen. Wir dürfen nicht vergessen, dass staatliche Strukturen bereits im letzten Sommer einen Mordanschlag auf Nawalny verübt haben. Aber mein Eindruck ist auch, dass das politische System, die Eliten und auch der Repressionsapparat stehen. Ich sehe hier kein Riss. Das «System Putin» scheint mir im Moment stabil zu sein. Grosse Umwälzungen würde Nawalnys Tod wohl nicht zur Folge haben.
Das Gespräch führte Danièle Hubacher.