Rufus Nganga steht neben seinem Haus. Fünf junge Männer machen es mit Vorschlaghämmern dem Erdboden gleich. Hier, in Nairobis Vorort Ngong, wird bald die Eisenbahn durchfahren. Nganga freut sich: «Ich verstehe, was Infrastruktur der Wirtschaft unseres Landes bringt. Darum bin ich glücklich.»
Der 76-jährige ehemalige Staatsangestellte ist umgezogen. Doch noch immer wartet er auf Geld vom Staat. Ngaga: «Bisher wurde ich nicht entschädigt. Seit zwei Jahren warte ich darauf.» Ein Viertel aller Landbesitzer am Fusse der Ngong-Berge erhielt bisher keine Entschädigung. Dem Staat ist das Geld dafür ausgegangen.
Trotzdem wird die Eisenbahn weitergebaut. Quer durchs Land soll sie führen, bis nach Uganda und in weitere Länder, so der ursprüngliche Plan.
Die Eisenbahn Kenias ist Teil von Chinas «Belt and Road Initiative». Rund zehn Milliarden Franken soll das fertige Projekt kosten. Doch unterdessen sind die Chinesen vorsichtig geworden, sie haben den Kredit für den letzten Abschnitt nach Uganda nicht mehr gesprochen. Niemand weiss genau, wann und wohin der Zug auf dieser Strecke fahren soll.
Besser als der Bus
Der moderne Hauptbahnhof Nairobis glänzt silbern in der Morgensonne. Seit zwei Jahren fährt die Eisenbahn von hier nach Mombasa an der Küste. Rund zehn Güterzüge und zwei Personenzüge verkehren täglich in beide Richtungen. Zugbegleiterinnen in schicken, roten Uniformen schliessen die Wagentüren. Auf die Minute genau rollt der Zug los.
Im Abteil sitzen die jungen Frauen Irene, Nancy und Njoki. Die Kenianerinnen trinken Schaumwein aus der Dose und freuen sich auf das Strandwochenende, das vor ihnen liegt. Den Zug finden sie etwas eng. «Doch er ist besser als der Bus. Warst du je in einem kenianischen Bus?», fragt Nancy.
Die klapprigen Busse haben einen schlechten Ruf, fast wöchentlich kommt es zu tödlichen Verkehrsunfällen. Die Eisenbahn ist günstiger und sicherer. Doch die Bahnhöfe von Mombasa und Nairobi liegen ausserhalb der Zentren, so dass viele Kenianer weiterhin den Bus benutzen.
Schuldenspirale dreht sich
Für die Passagiere ist die Eisenbahn günstig, für den Staat hingegen teuer. Der erste Abschnitt hat über drei Milliarden Franken gekostet. Kenia hat über 50 Milliarden Franken Schulden, zwei Drittel des Bruttoinlandprodukts. Das Land nimmt ständig neue Kredite auf, um alte zurückzuzahlen. Ein Teufelskreis, warnen Ökonomen. Das Frauentrio im Zug gibt sich unbesorgt: «Wir waren immer verschuldet, und werden es auch bleiben. Irgendwie werden wir durchkommen.»
Plötzlich taucht vor dem Zugfenster ein Elefant auf. Die Passagiere spähen begeistert nach draussen. Am Wasserloch steht eine ganze Herde von Elefanten. Dazu Giraffen, Zebras, Antilopen. Die Eisenbahn fährt mitten durch einen Nationalpark. Umweltaktivisten kritisieren die Linienwahl. Niemand baut günstiger als die Chinesen. Doch sie kümmern sich kaum um die Einhaltung von Umwelt- oder sozialen Standards.
Kein Kredit mehr von China
Die Stadt Mombasa liegt am indischen Ozean. Sie ist nicht nur Ausgangspunkt für Kenias Strandtourismus, hier liegt auch einer der wichtigsten Häfen Ostafrikas.
Riesige blaue Kräne hieven bunte Container von Schiffen. Die Waren dürfen in Zukunft nicht mehr auf der Strasse weitertransportiert werden, sondern müssen auf die Schiene. Das hat der Staat unlängst bekannt gegeben. Der Grund für den Zwang: Die Eisenbahnlinie rentiert nicht, sie soll besser ausgelastet werden.
Vermutlich hat dies unterdessen auch China eingesehen. Im Frühling kam Kenias Staatsführer Uhuru Kenyatta mit leeren Händen vom «Belt and Road»-Gipfel aus Peking zurück.
Wir waren immer verschuldet, und werden es auch bleiben. Irgendwie werden wir durchkommen.
Offiziell heisst es, Kenia habe gar nicht nach dem letzten Teil des Eisenbahnkredits gefragt. Doch China scheint nicht mehr ganz überzeugt vom Wert der eigenen Eisenbahn. Damit fehlen Kenia rund fünf Milliarden Franken. Auch in anderen afrikanischen Ländern ist China weniger freigiebig mit Krediten.
«Sie kommen im Namen des Geldes»
Neben der Altstadt von Mombasa, direkt am Meer, steht die Festung «Fort Jesus», erbaut vor 400 Jahren von den Portugiesen. Taxifahrer Kenneth Mugambi wartet auf Kundschaft. «Die Ausländer damals kamen im Namen Jesus’», erklärt Mugambi. Neben dem Handel ging es auch um die Verbreitung des Christentums.
Heute hingegen, so Mugambi, kämen die Chinesen im Namen des Geldes. «Sie machen ihre korrupten Deals und nehmen sich, was sie wollen.» Mombasa war schon immer ein attraktiver Handelsort, ein Knotenpunkt für den Handel zwischen Europa, Arabien und Asien. Auf die Portugiesen folgten die Araber, später die britischen Kolonialherren.
Chinesen dominieren Handel
Unterdessen dominieren die Chinesen. Das Reich der Mitte ist der grösste Handelspartner und der wichtigste bilaterale Geldgeber Kenias. Durch die Eisenbahn erhofft sich China, neue Absatzmärkte erschliessen zu können. Zudem werden chinesische Unternehmen im Ausland beschäftigt, nachdem der Infrastrukturboom in der Heimat abgeflaut ist. Alles kommt aus China, auch die Kredite.
Die Chinesen machen ihre korrupten Deals und nehmen sich, was sie wollen.
Ob und wie Kenia die Schulden zurückzahlen können wird, ist unklar. Der Betrieb der Eisenbahn ist defizitär.
Kenianische Medien berichten, dass der Hafen von Mombasa in chinesische Hände fallen würde, sollten die Schulden nicht bedient werden. China und Kenia dementieren zwar, doch widerlegen können sie die Gerüchte nicht, denn der Vertrag zum Eisenbahnbau zwischen den beiden Ländern ist und bleibt geheim.
Schlechter Deal für Kenia?
Die Eisenbahn sei ein schlechter Deal für Kenia, findet Taxifahrer Mugambi. In der Verantwortung sieht er die Politiker. Afrikas korrupte Staatsführer würden ihre Länder verkaufen. «Sie bauen sich riesige Häuser. Doch können nicht erklären, woher sie das Geld haben.» Afrika brauche dringend eine neue Generation von Führern, die der Bevölkerung nicht alles stehle.
Wird Kenias Eisenbahn nie fertiggebaut, dann hat das immerhin einen Vorteil: Die toxische Kombination aus chinesischer Freigiebigkeit und afrikanischer Korruption führt nicht zu noch mehr Schulden. Doch in Kenia steht nun ein halbfertiges Eisenbahnprojekt. Es fährt ein Zug nach nirgendwo.