Die Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress ist nur eine von vielen Ansprachen, die ein Präsident in den USA zu halten hat. Aber einer behält immer den Überblick: Mark Knoller. Er ist Korrespondent im Weissen Haus für den Sender CBS, berichtet seit Jahren über die US-Präsidenten und führt Buch über jedes Detail ihres Tuns, auch über die Reden, die unwichtigen und die wichtigen.
Jederzeit im Einsatz – auch nachts
Und er nimmt es akribisch genau: Jeder Schritt, jedes Wort, jede Bewegung des US-Präsidenten wird protokolliert und gezählt. Jeden Tag, seit 25 Jahren. Mark Knoller ist das institutionelle Gehirn der Präsidentschaft.
Der CBS-Journalist hält alles in einer Art Tagebuch fest: Die Reisen, die Flüge, die Besucher oder eben die Reden. Er rapportiert die Aktivitäten des US-Präsidenten an seine Viertelmillion Follower auf Twitter. Später, wenn andere Feierabend machen, überträgt er die Daten in sein Tagebuch, bis tief in die Nacht hinein. Mark Knoller freut sich jeden Tag erneut darauf, auch mit 65.
«Wenn ich nicht arbeite, dann vermisse ich meinen Job», sagt er. Knoller ist ein Besessener, ein Präsidenten-Freak, obwohl er das nicht so gerne hört. Er findet es auch faszinierend jetzt mit dem neuen Präsidenten. Trump bringe eine ganz andere Dynamik und einen andern Stil mit.
Big Knoller ist watching you – seit der Ära Clinton
Trumps Rede vom Mittwoch ist auch für Mark Knoller eine der wichtigsten, aber überschätzen mag er sie nicht. Er hat in seiner beruflichen Laufbahn schon 40 solcher Ansprachen verfolgt, aber keine einzige davon ist ihm im Gedächtnis geblieben: «Politiker sind froh, wenn sich ihre Wähler am nächsten Tag noch an ihre Worte erinnern können», meint Mark Knoller schmunzelnd.
Der langjährige Reporter berichtet seit vier Jahrzehnten aus dem Weissen Haus. In Bill Clintons Amtszeit fing er dann an, die Aktivitäten der Präsidenten aufzuschreiben. Clinton flog damals oft nach Kalifornien und Journalist Mark Knoller wollte wissen, wie oft. Er brauchte Stunden, um diese Zahl zu ermitteln. Von da an begann er, ein haargenaues Protokoll zu führen.
Seine Journalisten-Kollegen sind ihm dankbar, dass sie diese Daten nicht mehr selber zusammensuchen müssen. Und wie lange will der 65jährige sein Präsidententagebuch noch führen? «Bis es mich nicht mehr interessiert», sagt Knoller, aber an diesem Punkt sei er noch nicht.
Twitter-Star oder Buch-Autor
Ein Nachfolger ist auch nicht in Sicht. Dennoch muss er irgendwann darüber nachdenken, was mit seinem umfangreichen Datenpaket geschieht, wenn er in Pension geht. Vielleicht stelle er es einfach ins Internet, damit alle darauf zugreifen können, meint der Journalist. Aber vorher hat Mark Knoller noch ein Ziel zu erreichen: Er wünscht sich so viele Follower auf Twitter wie Präsident Trump.
«Er hat 25 Millionen und ich nur 250'000. Es wäre so schön, auch so viele zu haben», schwärmt Mark Knoller. Falls er das nicht schafft, kann er immer noch ein Buch schreiben. Einen Roman, denn der Zahlen- und Fakten-Freak sehnt sich nach Fiktion, nach einer Traumwelt, in der nur seine Vorstellungskraft zählt.