Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat sich durchgesetzt. Er entlässt Armeechef Waleri Saluschni. Die beiden hatten sich in den vergangenen Monaten eine Art Schattenkampf geliefert, sich immer wieder indirekt kritisiert.
Der Konflikt drehte sich um die richtige Taktik im Krieg – aber auch um persönliche Ambitionen. Selenski sieht Saluschni offenbar als potenziellen Gegner in einer zukünftigen Präsidentenwahl. Beide sind beliebt beim Volk.
Dieser Zwist war schädlich für die Ukraine: Das Land steht an der Front unter Druck, die Russen greifen unablässig an, der ukrainischen Armee fehlt es an Waffen und Munition. In dieser angespannten Lage kann sich die Ukraine einen Streit zwischen politischer und militärischer Führung nicht leisten.
Saluschni mit Kritik statt Zuversicht
Saluschni war auch einer, der seine Meinung nicht zurückhielt. Vor ein paar Tagen übte er offen Kritik: «Wir müssen anerkennen, dass der Feind einen erheblichen Vorteil bei der Mobilisierung hat. Im Vergleich zur Unfähigkeit unseres Staates, die Truppenstärke zu verbessern.»
Offenbar war das Selenski zu viel. Schon vergangene Woche soll er Saluschni zum Rücktritt aufgefordert haben. «Es braucht einen Neuanfang», sagte Selenski am Fernsehen. Selenski will einen Armeechef, der Zuversicht verbreitet und den Kampfeswillen stärkt – damit die Moral an der Front nicht zusammenbricht. All das traute Selenski seinem bislang amtierenden Armeechef offenbar nicht mehr zu.
Selenski markiert den Chef
Mit der Umstrukturierung der Armeespitze zieht Selenski nun einen Schlussstrich: Die Entlassung von Saluschni wird von seinen vielen Bewunderern – gerade in der Armee – bedauert. Aber der Entscheid könnte auch die Chance für einen Neuanfang sein.
Zumal Saluschnis Nachfolger Olexander Syrski als fähiger Militär gilt. Er war unter anderem zu Beginn des Krieges an der Verteidigung der Hauptstadt beteiligt. Und Saluschni, heisst es aus Kiew, bleibe «Teil des Teams». Was das heisst, ist bisher unklar. Was aber klar ist: Selenski war es wichtig zu zeigen, dass er der Chef ist.