Ein halbes Jahr nach der Unabhängigkeits-Abstimmung in Katalonien wird Carles Puigdemont auf einer Autobahnraststätte in Deutschland verhaftet – wegen eines internationalen Haftbefehls aus Spanien. Mehrere Monate lang hat sich der ehemalige katalanische Regionalpräsident unbehelligt in Europa bewegt, lebte in Belgien im Exil. Der Journalist Hans-Günter Kellner erklärt, wie Puigdemonts plötzliche Festsetzung möglich wurde.
Hans-Günter Kellner
Journalist
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Der freie Journalist Hans-Günter Kellner lebt in Madrid und ist Korrespondent für verschiedene Medien.
SRF News: Warum kommt die Festnahme gerade jetzt?
Hans-Günter Kellner: Der spanische Untersuchungsrichter hat den Beschuldigten erst am Freitag die Anklageschrift verlesen. Darin klagt er auch Carles Puigdemont an. Alle Beschuldigten hätten am Freitag in Madrid vor Gericht erscheinen müssen. Einige taten das aber nicht, darunter auch Puigdemont.
Daraufhin wurde der internationale Haftbefehl ausgeschrieben. Der Vollständigkeit halber muss man sagen, dass es schon einmal einen internationalen Haftbefehl gab, der dann wieder zurückgezogen wurde. Der damalige Haftbefehl war aber noch nicht durch die Anklageschrift untermauert.
Separatisten in Katalonien sagen, die Anklage sei bewusst auf den Freitag gelegt worden – denn am Samstag hätte Puigdemonts möglicher Nachfolger als Präsident im katalanischen Regionalparlament zur Wahl gestanden. Ist ein solches Manöver der spanischen Justiz denkbar?
Das ist nicht nur denkbar, sondern wohl tatsächlich der Fall. Der Untersuchungsrichter geht davon aus, dass Jordi Turull – Puigdemonts möglicher Nachfolger – die ihm zur Last gelegten Straftaten weiter fortführen würde, insbesondere die Rebellion und den Aufruhr – und das vom Parlamentssitz aus.
In Deutschland ist der Hochverrat im Strafrechtskatalog vorgesehen, der etwa vergleichbar ist mit Rebellion.
Deswegen wurde Turull auch in Untersuchungshaft genommen, wie einige andere auch. Man darf allerdings nicht vergessen, dass der erste Wahlgang für Puigdemonts Nachfolge schon am Donnerstag war. Und da holte Turull nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen. Ob er am Samstag tatsächlich Ministerpräsident geworden wäre, ist daher fraglich.
Festgenommen wurde Puigdemont ja in Deutschland, nachdem er kurz zuvor schon in Dänemark, Finnland und auch in der Schweiz war. Hat sich die spanische Justiz überlegt, dass ihn Deutschland eher als andere Länder ausliefern würde?
Das ist möglich. Allerdings wurde der internationale Haftbefehl bereits am Freitag aktiviert. Die spanische Justiz hat durchaus versucht, die Festnahme in Finnland zu erwirken. Zu diesem Zeitpunkt war Puigdemont aber schon mit dem Auto aus dem Land gereist. Ein Grund dafür, dass die Festnahme in Deutschland erfolgt ist, mag sein: Puigdemont werden drei Straftaten vorgeworfen – Rebellion, Aufstand und Veruntreuung.
Nicht alle drei Straftaten sind in ganz Europa strafbar. Ganz Europa kennt zwar den Straftatbestand der Veruntreuung, nicht aber Rebellion und Aufstand. In Deutschland aber ist der Hochverrat im Strafrechtskatalog vorgesehen, der etwa vergleichbar ist mit Rebellion. Es kann also durchaus sein, dass die spanischen Behörden auf eine Festnahme in Deutschland gehofft haben.
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