Worum geht es? Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hat anlässlich des 76. Gründungstag des nordkoreanischen Militärs das Nachbarland Südkorea erneut als seinen grössten Feind bezeichnet und damit gedroht, nicht zu zögern, seine Feinde auszulöschen. Kim Jong-un zeigte sich bei der martialisch inszenierten Militärparade mit seiner Tochter.
Was sind die Auswirkungen für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Südkorea? Alle mit Südkorea unterzeichneten Abkommen zur Förderung der Wirtschaft sind aufgehoben worden. Dafür hat die Oberste Volksversammlung Nordkoreas am Donnerstag gestimmt. Dies berichtete die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA. Gleichzeitig stimmte die Volksversammlung dafür, alle Gesetze abzuschaffen, die bestehende wirtschaftliche Beziehungen mit Seoul regeln.
Wie reagiert Südkorea? Der südkoreanische Präsident Yoon Suk-yeol bezeichnete den Wandel in Nordkoreas innerkoreanischer Politik in einem aufgezeichneten Fernsehinterview als «eine aussergewöhnliche Veränderung». Es sei schwer zu verstehen, was dahinterstecke. Yoon vertritt eine harte Linie gegenüber Nordkorea, doch er sagte, er sei nach wie vor bereit, auf den Norden zuzugehen. Selbst ein Gipfeltreffen mit Kim sei möglich, wenn dies der Wirtschaft Nordkoreas helfen würde.
Welche Politik verfolgt Kim Jong-un? Seit 1972 verfolgte Nordkorea offiziell eine Politik der Wiedervereinigung mit Südkorea auf friedlichem Weg. Diese Politik wurde von Kim Il-sung begründet. «Sein Enkel, Kim Jong-un, bricht nun mit diesem Dogma», sagt Martin Fritz, der als freier Journalist und Korrespondent die Lage beobachtet. Kim Jong-un habe ein berühmtes Denkmal für die Wiedervereinigung abreissen lassen, die Institutionen für Kontakte zum Süden abgeschafft, und in der Verfassung soll Südkorea als Feind genannt werden.
Was sind Kim Jong-uns Beweggründe? Offiziell sind keine Gründe bekannt, warum sich Nordkoreas Machthaber entschieden hat, sämtliche wirtschaftlichen Verbindungen zu Südkorea abzubrechen und Südkorea als Feind einzustufen. Martin Fritz vermutet, dass Nordkorea den Preis für spätere Verhandlungen mit den USA in die Höhe treiben will. Er sagt: «Die Führung in Pjöngjang setzt vermutlich auf eine Rückkehr von Donald Trump ins Amt als US-Präsident.» Während seiner ersten Amtszeit hat dieser nämlich gefordert, die USA sollen ihre Truppen aus Südkorea abziehen. «Das ist genau das Ziel, das Nordkorea seit Jahrzehnten verfolgt. Wenn Trump wieder Präsident wird, könnte er seine alte Ankündigung wahr machen.»
Welchen Einfluss hat Südkorea auf Kims Machterhalt? Ein anderer Grund für den Beziehungsabbruch könnte die Angst vor Südkoreas Einfluss auf die Bürgerinnen und Bürger in Nordkorea sein. «Das grösste Risiko für Kims Macht besteht in der Nähe zu Südkorea. Es geht um den Einfluss, den Südkorea durch seinen Reichtum und seine Kultur auf die Menschen in Nordkorea ausübt», sagt Fritz. Ein anderes Beispiel illustriere diese Angst: Vor drei Wochen seien zwei Sechzehnjährige zu zwölf Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden, weil sie südkoreanische Musikvideos geschaut haben.