Als ich 14 war haben mich ein paar ältere Jungs zu einer Party eingeladen, wir spielten ein Bier-Pong und sie animierten mich, zu trinken. Ich war total betrunken und schlief auf dem Sofa ein. Als ich wieder zu mir kam, hatte ich den Penis von einem der Jungen im Mund.
In Grossbritannien läuft eine gesellschaftliche Debatte über sexuelle Übergriffe an Schulen und im schulischen Umfeld. Eine Webseite, auf der Schülerinnen und Schüler anonym von ihren Erlebnissen berichten können, hat in den letzten Monaten mehrere Tausend Einträge verzeichnet.
Viele der beschriebenen Übergriffe auf der Seite «Everyone's Invited» sollen von Mitschülern ausgegangen sein, aber auch Lehrer werden bezichtigt. Geschildert werden Vorfälle von verbalen Übergriffen bis hin zu Vergewaltigungen. Vor allem auch Privatschulen sollen davon betroffen sein.
Politik reagiert, Polizei ermittelt
Die Betreiber der Webseite beklagen eine «Vergewaltigungskultur». Sexuelle Gewalt werde durch Gedanken, Verhaltensweisen und Einstellungen in Gesellschaft oder im Umfeld normalisiert und verharmlost.
Das seien keine Einzelfälle mehr, sagt SRF-Korrespondent Patrik Wülser in London: «Es ist eine überwältigende Anklage, die auch Widerhall in den Medien gefunden hat und der sich nun auch die Politik nicht mehr entziehen kann.»
Der Vorsitzende des Bildungsausschusses im Parlament, Robert Halfon, forderte eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle. Die Polizei in London bestätigte, die Einträge nach Straftaten zu durchsuchen und Opfer zu einer Anzeige zu ermutigen. Auch einzelne Schulen seien bereits kontaktiert worden.
Korrespondent Wülser hat einige der verstörenden Zeugnisse gelesen. «Solche Erfahrungen prägen offenbar den Schulalltag von tausenden Mädchen und jungen Frauen. Ich bin erschüttert, dass so etwas im 21. Jahrhundert möglich ist.»
Wülser vermutet, dass es an teuren Elite-Schulen teils auch am Willen der Lehrkräfte fehlte, das Problem anzugehen. Vielleicht, weil sie das Ansehen ihrer Privatschule höher gewichteten als das Wohlergehen ihrer Schülerinnen. Auch das Machtgefälle zwischen den reichen Eltern und den Lehrkräften könne eine Erklärung für das institutionalisierte Schweigen sein.
Das sind keine Einzelfälle mehr. Es ist eine überwältigende Anklage.
Wülser warnt vor Pauschalisierungen. Doch gebe es in der britischen Oberschicht auch einen «Humus», auf dem problematisches Verhalten von jungen Männern wachsen könne. «Eine Expertin berichtete davon, dass in diesen Häusern noch immer ein antiquiertes Frauenbild herrsche, in dem Mädchen nicht als gleichwertig betrachtet werden – man könne mit ihnen machen, was man will.»
«Erosion gesunder sexueller Beziehungen»
Simon Bailey vom Rat der britischen Polizeichefs machte in einem Interview mit der BBC auch eine «schrittweise Erosion gesunder sexueller Beziehungen» durch die einfache Verfügbarkeit von Pornografie im Internet verantwortlich. «Das schafft eine Kultur vor allem bei jungen Männern, in der es akzeptabel ist, junge Frauen auf die Art und Weise zu behandeln, wie wir es jetzt von so vielen hören», sagte Bailey.
Dass die «Eiterbeule» genau jetzt platzt, überrasche nicht, so Wülser. Er erinnert daran, dass vor einem Monat eine junge Frau in London auf dem Nachhauseweg ermordet wurde – mutmasslich von einem Polizisten. Im ganzen Land versammelten sich Frauen und forderten mehr Sicherheit im öffentlichen Raum.
Gewalt und Übergriffe gegenüber Frauen und Mädchen gebe es nicht erst seit gestern, sagt Wülser. Sie seien aber in der britischen Öffentlichkeit lange tabuisiert worden. Nun forderten viele, dass die Zeit des Wegschauens beendet werden müsse.
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