Italiens Regierungschef Giuseppe Conte wird sich am Nachmittag vor dem Senat in Rom zur politischen Krise in dem Land äussern. Die Krise hatte Innenminister Matteo Salvini provoziert. Doch wie ist es zur verworrenen Situation gekommen? Und wie könnte Italien wieder aus der Krise finden? SRF-Italien-Korrespondent Franco Battel mit einer Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse und möglichen Szenarien für Italien.
Am Anfang standen Wahlumfragen und ein Streit
Auf der einen Seite stritten die beiden Regierungsparteien Movimento Cinque Stelle und Lega über beinahe alles. Zum Beispiel darüber, ob Italiens Regionen mehr Macht erhalten sollen, ob die Hochgeschwindigkeitsstrecke Lyon-Turin gebaut werden soll oder ob Italien eine Flat Tax, also einen möglichst für alle gleichen, tiefen Steuersatz einführen soll.
Und auf der anderen Seite eilte die eine der beiden Regierungsparteien in der Wählergunst auf und davon. Der Lega von Matteo Salvini wurden in Umfragen Rekordresultate prophezeit, während der Partner, die Cinque Stelle, abgeschlagen hinterherhinkte.
Die Krise nahm in den Ferien Fahrt auf
Aus diesem Grund provozierte Matteo Salvini mitten im Ferienmonat August eine Regierungskrise. Er forderte für sich «pieni poteri», also umfassende Vollmachten, die er sich über die Neuwahl des Parlaments sichern wollte. Nur zeigte sich bald, dass an einer solchen Wahl nur einer wirklich ein Interesse haben konnte: Salvini, der gemäss allen Prognosen mit einem Triumph rechnen konnte.
Alle anderen Parteien aber, die mit massiven Einbussen rechnen mussten, standen energisch auf die Bremse. Die Furcht vor Neuwahlen und die Aussicht auf eine Regierung Salvini führten selbst dazu, dass alte Feinde sachte wieder miteinander zu sprechen anfingen: nämlich die Cinque Stelle und die Sozialdemokraten des Partito Democratico. Das ist die eigentliche Überraschung.
Was wird Premierminister Conte sagen?
Nachdem diese Krise während beinahe drei Wochen unter Sonnenschirmen an Italiens Stränden, von Lega-Chef Matteo Salvini und Cinque Stelle-Chef Luigi Di Maio in der Badehose, ausgetragen wurde, kommt sie heute ins Parlament. Premierminister Giuseppe Conte wird am Nachmittag erstmals seit Ausbruch der Krise Stellung nehmen.
Premier Conte könnte ohne Abstimmung zurücktreten oder er könnte sich, wie von Salvini gefordert, einer Vertrauensabstimmung stellen, die er wahrscheinlich verlieren würde. In beiden Fällen käme dann Staatspräsident Sergio Mattarella zum Zug. Er könnte nach Gesprächen mit allen Parteichefs entweder einen neuen Premier oder nochmals Conte ernennen oder aber, wenn sich keine Mehrheit finden lässt, Neuwahlen ausschreiben. Denkbar ist aber auch ein Mittelding: die Ernennung einer Übergangsregierung, die lediglich das Budget 2020 verabschiedet und dann, wohl Anfang des nächsten Jahres, Wahlen organisiert.
Salvini dürfte einen Rückschlag einstecken
Fazit: Die italienische Krise bleibt sehr unübersichtlich. Klar ist derzeit nur eines: Matteo Salvini dürfte nicht so schnell wie von ihm gewünscht zu umfassenden Vollmachten kommen. Salvini, der im vergangenen Jahr die italienische Politik nach Strich und Faden dominierte, muss wohl erstmals einen Rückschlag hinnehmen.