Emmanuel Macrons Popularität ist rund ein Jahr nach seinem Amtsantritt im Sinkflug. Nach Angaben des französischen Meinungsforschungsinstituts Ifop sind nur noch 31 Prozent zufrieden mit der Arbeit ihres Präsidenten. Selbst Vorgänger François Hollande war zum selben Zeitpunkt seiner Präsidentschaft populärer. Warum das so ist, erläutert SRF-Korrespondent Daniel Voll.
SRF News: Warum ist Präsident Emmanuel Macron derart unbeliebt?
Daniel Voll: Macron hat vor seiner Wahl viel versprochen und grosse Erwartungen geweckt. Im Unterschied zu Vorgänger François Hollande, wollte er kein «normaler Präsident» sein, sondern ein «Jupiterpräsident». Dieser Olympier-Anspruch war hoch gegriffen, Macron wirkte damit vor allem abgehoben. Entsprechend gross ist die Enttäuschung, die sich in den Meinungsumfragen spiegelt.
Wie fällt denn seine politische Bilanz bislang aus?
Mit Macron ist im vergangenen Jahr erstmals seit Jahrzehnten ein Zentrumspolitiker ins Präsidentenamt gekommen. Er hat davon profitiert, dass weder Sozialisten noch die traditionelle Rechte mehrheitsfähige Kandidaten hatten. Damit hat Macron auf beiden Seiten des Zentrums Stimmen gemacht. Die bisherigen Reformen bedienen allerdings klar die Interessen von Unternehmen und Vermögenden. Auch die Beschränkung von Asylrecht und der unsensible Umgang mit der Affäre Benalla hat ihm im Mitte-Links-Lager geschadet.
Auch bei der traditionellen Rechten hat er diese Verluste nicht kompensieren können. Denn für diese ist Macron weiterhin ein Konkurrent.
Macron hat kürzlich die Franzosen als «widerspenstige Gallier» bezeichnet und dafür breite Kritik geerntet. Wie kommt er zu der Aussage und wie kam sie an?
Eigentlich entspricht der «störrischen Gallier» dem Selbstbild, das sich Franzosen gerne machen. Asterix und Obelix sind nicht umsonst die Karikatur französischer Nationalhelden. Macrons Fehler war, dass er sie in Gegensatz zum Reformeifer der «lutherischen Dänen» gesetzt hat. Und er hat diese Kritik im Ausland, in Dänemark, formuliert. Das war Wasser auf die Mühlen der Opposition, die einmal mehr am Bild des abgehobenen «Jupiterpräsidenten» pinseln konnte.
Mit seiner Bewegung «La République en marche» schien sich Macron vom politischen Establishment distanzieren zu können. Hat ihn nun die Realpolitik eingeholt?
Ich bezweifle, dass sich Macron vom politischen Establishment absetzen wollte. Denn er kommt aus diesem Milieu in Politik und Verwaltung, das stark von den Eliteschulen geprägt wird, die auch Macron durchlaufen hat.
Aber er hat die Chance genutzt, dass die Bevölkerung zunehmend an der Gestaltungsfähigkeit der Politiker in den traditionellen Parteien gezweifelt hat. Darum hat er auch versprochen, engagierte Bürgerinnen und Bürger aus der sogenannten Zivilgesellschaft in die Regierung zu holen.
Nun haben innert einer Woche Umweltminister Nicolas Hulot und Sportministerin Laura Flessel die Regierung verlassen. Sind das Zerfallserscheinigungen der Regierung?
Ich denke, die Regierungsumbildung dieser Woche zeigt vor allem die Grenzen von Macrons Projekt «Zivilgesellschaft». Vor allem der Rücktritt von Umweltminister Nicolas Hulot illustriert, wie schlecht ein Minister ohne eigene Hausmacht seine Politik innerhalb der Regierung durchsetzen kann.
Der neue Umweltminister François de Rugy passt genau zu diesem Bild: Ein anpassungsfähiger Politiker, der vor allem loyal gegenüber seinem Präsidenten ist.
Das Gespräch führte Oliver Roscher.