Bei Chaos und Schüssen rund um einen Hilfskonvoi im Gazastreifen sind Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Was genau vorgefallen ist und wie es zu der Tragödie kam, ist nicht klar.
Unterschiedliche Angaben
Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde wirft Israels Armee vor, in eine Menschenmenge in der Stadt Gaza geschossen zu haben, als die Menschen auf Hilfsgüter warteten. Dabei sollen 104 Menschen getötet und 760 verletzt worden sein.
Gemäss dem israelischen Armeesprecher Daniel Hagari seien zahlreiche Menschen auf die Lastwagen gestürmt und es sei zu einem Gedränge gekommen. «Einige fingen an, andere gewaltsam zu schubsen und zu Tode zu trampeln und plünderten die humanitären Hilfsgüter», so Hagari. Israel habe keine Menschen gezielt angegriffen. Der Krieg richte sich gegen die Hamas und nicht gegen die Menschen im Gazastreifen.
Der palästinensische UNO-Botschafter Riad Mansaur wirft Israel die vorsätzliche Tötung von Palästinensern vor. Den ihm vorliegenden Informationen zufolge hätten Dutzende Menschen Kugeln in den Kopf erhalten. «Es wurde absichtlich gezielt und getötet», so Mansaur.
Die Angaben beider Seiten lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Ansturm auf den Hilfskonvoi
Mehrere israelische Medien meldeten unter Berufung auf Armeekreise, ein Teil der Menge habe sich schliesslich aus nicht genannter Ursache den israelischen Soldaten genähert, die die Einfuhr der Lkw koordinierten, und diese damit gefährdet. Deshalb hätten die Soldaten das Feuer auf die Gruppe eröffnet.
Unter Berufung auf die Armee wurde zudem gemeldet, dass bewaffnete Palästinenser auf einige der Lastwagen geschossen hätten.
Die «Times of Israel» berichtete, von rund 30 Lastwagen, die am frühen Donnerstagmorgen an der Küste in Gaza angekommen seien. Tausende Palästinenser rannten demnach auf die Transporter zu. Die Armee veröffentlichte ein Video, das den Ansturm zeigen soll.
Katastrophale Lage in Gaza
Sicher ist: Die humanitäre Lage im Gazastreifen wird zunehmend prekär, Hilfsorganisationen nennen sie katastrophal. Die Menge der Hilfslieferungen hat sich UNO-Angaben zufolge im Februar im Vergleich zum Januar halbiert.
Laut den Vereinten Nationen ist inzwischen ein Viertel der Bevölkerung im Gazastreifen am Verhungern. Hilfsorganisationen beklagen, dass es fast unmöglich geworden sei, überhaupt Hilfsgüter in den Gazastreifen zu liefern.
Dies, weil die Koordination mit der israelischen Armee so schwierig sei und weil sich die Hamas und die Armee überall Kämpfe liefern. Israel seinerseits beklagt, die Hamas und kriminelle Banden würden die Hilfsgüter stehlen – für sich, oder um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen.
So oder so: nach bald fünf Monaten Krieg ist es klar, dass die öffentliche Ordnung zusammenbricht – erst recht, wenn die Menschen verhungern. Auch die USA haben heute nochmals mit Nachdruck mehr Hilfslieferungen für die eingeschlossene Bevölkerung im Gazastreifen gefordert.