«Frankfurter Allgemeine Zeitung»: Ein Pyrrhus-Sieg
«Die FPÖ-Gegner innerhalb und ausserhalb Österreichs errangen einen Pyrrhus-Sieg: Die Chancen, dass FPÖ-Chef Strache Bundeskanzler wird, sind durch die Niederlage Hofers nicht kleiner geworden. Österreich, das bisher in eine rote und eine schwarze Reichshälfte geteilt war, die durch die ewige grosse Koalition immer schlechter zusammengehalten wurden, erlebt nicht eine grüne, sondern eine blaue Revolution. Haupttriebkraft für den fast erfolgreichen Sturm auf die Hofburg und die noch geplante Übernahme des Ballhausplatzes war die ursprüngliche Politik der Wiener Koalitionsregierung in der Flüchtlingskrise.»
«Die Welt»: Unversöhnliche Alpenrepublik
«Die Alpenrepublik ist so unversöhnlich gespalten, wie sich die Kandidaten im Wahlkampf präsentierten. Grob die Hälfte der Wähler hat sich für Norbert Hofer entschieden. Die wird landläufig als «rechtspopulistisch» bezeichnet. Ob diese Zuschreibung erhellend ist, darf man in Zweifel ziehen. Denn dann wären jetzt ungefähr 50 Prozent aller Österreicher «Rechtspopulisten» – und die FPÖ eine Volkspartei. Möglicherweise haben die Hofer-Wähler aber einfach nur den Kandidaten gewählt, den sie überzeugender fanden als Alexander Van der Bellen. Denn dieser vertritt – obwohl ein Grüner – eben jenes politische Establishment, das vielen Österreichern unerträglich fad geworden ist.»
«Der Standard»:
«Österreich ist mit zwei blauen Augen davongekommen. Es war eine Richtungsentscheidung mit Signalwirkung über die Landesgrenzen hinaus. Das Ergebnis ist ein Votum für Weltoffenheit und die Beibehaltung des bisherigen proeuropäischen Kurses. Das hat Van der Bellen in seiner ersten Erklärung nach dem Wahlsieg deutlich gemacht. Er wird im Ausland viel erklären müssen: auch, dass nicht alle Hofer-Wähler Nazis sind (wie einige Medien behauptet haben), aber nicht alle ihn nur aus Protest gegen die Regierungspolitik gewählt haben.»
«Le Figaro»: Ein plan- und kopfloses Europa
«Europas Mächtige sollten sich nicht zu sehr freuen, wenn Alexander Van der Bellen ihnen den Schock eines antieuropäischen Präsidenten in Wien erspart, weil fast einer von zwei Wählern einen deutlichen Warnschuss abgegeben hat. Auf dem ganzen Kontinent drückt sich mehr oder weniger die gleiche Ablehnung eines plan- und kopflosen Europas aus. In Ungarn, Polen oder in Grossbritannien, das in einem Monat über den Brexit abstimmt, aber auch in Frankreich belagern die EU-Gegner deren Institutionen.»