Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist 75 Jahre alt. Es erhielt einst als Hüter das Bundesverfassungsgericht an die Seite gestellt. Dieses höchste Gericht hat viel Macht, Dinge zu kippen. Denn die deutsche Geschichte hat gelehrt: Nicht jede Mehrheit respektiert die Verfassung.
Justizminister Marco Buschmann spricht beim Bundesverfassungsgericht von einem Teil eines «gelungenen Experiments». «Dazu gehört, dass die unterschiedlichsten Mehrheiten in unserem Land eines immer respektiert haben: Auch wenn einem eine Entscheidung nicht gefällt, nutzt man die Möglichkeiten des Gesetzgebers nicht dazu, das Gericht zu sanktionieren oder um es an die kurze Leine zu nehmen.»
Richterinnen und Richter konnten stets unabhängig und selbstbewusst entscheiden. Dabei hätten schon einfache Gesetzesänderungen das behindern können. wie ein Blick nach Ungarn und Polen zeigt. Die Idee ist also, Ähnliches in Deutschland zu erschweren, dafür einige Eckpunkte fürs Verfassungsgericht in die Verfassung zu hieven. Änderungen dort brauchen eine Zweidrittelmehrheit.
«Damit ist die Unabhängigkeit ein Stück weit gestärkt», schliesst Justizminister Buschmann. «Denn es ist nur nicht mehr nur eine Frage der politischen Kultur, die in unserem Land über viele Jahrzehnte gut war. Vielmehr ist es künftig eine Frage des Verfassungsrechts.»
Das alles sei nötig, sagt Konstantin von Notz von den Grünen: «Bisher war die Gefahr eher abstrakt, dass Parteien in Parlamenten sitzen, die den Laden brennen sehen, die Verfassung abreissen und das Vertrauen in die Institutionen schwächen wollen.» Inzwischen sei es nicht mehr vollkommen abwegig, dass solche Parteien «relevant vertreten» sein könnten, so der Bundestagsabgeordnete.
Der Name AfD fiel nicht. Aber natürlich geht es auch um sie. Sie wird stärker, und gleichzeitig gelten immer weitere Teile der Partei als rechtsextrem.
Ein Signal in die Bundesländer?
Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der fünf Parteien, SPD, Grüne, FDP, CDU und CSU, dieser «breiten Allianz seriöser Demokraten», wie der FDP-Justizminister es nannte, erhält grosses Lob. Auch von CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz: «In Ruhe auf die Dinge zu blicken, ohne getrieben zu sein und so eine Lösung vereinbaren zu können: Das war ein so wertvoller Prozess, den ich selbst noch nicht in der Form erleben konnte.»
Die überparteilichen Vorschläge fliessen nun in einen Gesetzesentwurf. Diese Massnahmen können allerdings keine Wunder bewirken. «Es ist eine Illusion zu glauben, dass das Verfassungsrecht allein alle Probleme lösen kann, wenn wir dauerhaft anti-demokratische Mehrheiten im deutschen Bundestag hätten», sagt Justizminister Buschmann. Denn es bleiben viele Flanken offen, auch in den Bundesländern. Die vielleicht – so die Hoffnung in Berlin – die Vorschläge als Signal begreifen.
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