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Bundesverfassungsgericht soll vor anti-demokratischen Kräften geschützt werden
Aus Echo der Zeit vom 23.07.2024. Bild: KEYSTONE/DPA/Uli Deck
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Sorge um Demokratie Deutschland will höchstes Gericht besser vor Extremisten schützen

Eine breite Koalition aus Regierungs- und Unionsparteien will das Bundesverfassungsgericht gegen den Zugriff von Extremisten wappnen.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist 75 Jahre alt. Es erhielt einst als Hüter das Bundesverfassungsgericht an die Seite gestellt. Dieses höchste Gericht hat viel Macht, Dinge zu kippen. Denn die deutsche Geschichte hat gelehrt: Nicht jede Mehrheit respektiert die Verfassung.

Justizminister Marco Buschmann spricht beim Bundesverfassungsgericht von einem Teil eines «gelungenen Experiments». «Dazu gehört, dass die unterschiedlichsten Mehrheiten in unserem Land eines immer respektiert haben: Auch wenn einem eine Entscheidung nicht gefällt, nutzt man die Möglichkeiten des Gesetzgebers nicht dazu, das Gericht zu sanktionieren oder um es an die kurze Leine zu nehmen.»

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Legende: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist das höchste Gericht Deutschlands. Schon lange läuft eine Debatte darüber, wie man es besser vor Extremisten schützen kann; gerade in einer Welt, in der autoritäre Kräfte viel Zustimmung erhalten. Keystone/DPA/Uli Deck

Richterinnen und Richter konnten stets unabhängig und selbstbewusst entscheiden. Dabei hätten schon einfache Gesetzesänderungen das behindern können. wie ein Blick nach Ungarn und Polen zeigt. Die Idee ist also, Ähnliches in Deutschland zu erschweren, dafür einige Eckpunkte fürs Verfassungsgericht in die Verfassung zu hieven. Änderungen dort brauchen eine Zweidrittelmehrheit.

«Damit ist die Unabhängigkeit ein Stück weit gestärkt», schliesst Justizminister Buschmann. «Denn es ist nur nicht mehr nur eine Frage der politischen Kultur, die in unserem Land über viele Jahrzehnte gut war. Vielmehr ist es künftig eine Frage des Verfassungsrechts.»

So sehen zwei konkrete Massnahmen aus

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Legende: Keystone/DPA/Uli Deck

Ein Beispiel, das neu in die Verfassung soll, ist eine Altersgrenze für Richterinnen und Richter. Es wäre dann ungleich schwieriger, diese Limite herunterzusetzen und so unliebsame Richterinnen und Richter auszusortieren.

Zudem soll die Geschäftsordnungs-Autonomie des höchsten Gerichts in der Verfassung festgeschrieben werden. Ein Blick nach Polen zeigt, wie die Politik auch hier eingreifen kann: Dort wurde dem Verfassungsgericht die Reihenfolge der Geschäfte vorgeschrieben und es so gehindert, Wichtiges anzupacken.

Ein drittes Beispiel: Sollte künftig die Wahl einer Richterin oder eines Richters blockiert werden, schlagen die Politikerinnen und Politiker vor, dass die Länderkammer als Wahlorgan einspringt, um die Handlungsfähigkeit zu garantieren.

Das alles sei nötig, sagt Konstantin von Notz von den Grünen: «Bisher war die Gefahr eher abstrakt, dass Parteien in Parlamenten sitzen, die den Laden brennen sehen, die Verfassung abreissen und das Vertrauen in die Institutionen schwächen wollen.» Inzwischen sei es nicht mehr vollkommen abwegig, dass solche Parteien «relevant vertreten» sein könnten, so der Bundestagsabgeordnete.

Der Name AfD fiel nicht. Aber natürlich geht es auch um sie. Sie wird stärker, und gleichzeitig gelten immer weitere Teile der Partei als rechtsextrem.

Ein Signal in die Bundesländer?

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit der fünf Parteien, SPD, Grüne, FDP, CDU und CSU, dieser «breiten Allianz seriöser Demokraten», wie der FDP-Justizminister es nannte, erhält grosses Lob. Auch von CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz: «In Ruhe auf die Dinge zu blicken, ohne getrieben zu sein und so eine Lösung vereinbaren zu können: Das war ein so wertvoller Prozess, den ich selbst noch nicht in der Form erleben konnte.»

Die überparteilichen Vorschläge fliessen nun in einen Gesetzesentwurf. Diese Massnahmen können allerdings keine Wunder bewirken. «Es ist eine Illusion zu glauben, dass das Verfassungsrecht allein alle Probleme lösen kann, wenn wir dauerhaft anti-demokratische Mehrheiten im deutschen Bundestag hätten», sagt Justizminister Buschmann. Denn es bleiben viele Flanken offen, auch in den Bundesländern. Die vielleicht – so die Hoffnung in Berlin – die Vorschläge als Signal begreifen.

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Echo der Zeit, 23.07.2024, 18 Uhr

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