SRF News: In anderthalb Wochen finden die Vorwahlen der Sozialisten und ihrer Verbündeten statt. Gestern Abend war das erste Fernsehduell ihrer Kandidaten. Wer hat sich am besten geschlagen?
Rudolf Balmer: Es ist schwierig, bereits einen Sieger festzustellen. Die Medien in Frankreich waren der Meinung, alle sieben Kandidierenden hätten Mühe gehabt, sich zu profilieren. Wenn es einen Sieger gibt, dann am ehesten noch den früheren Premier Manuel Valls. Er hatte einen schweren Stand, da er als ehemaliger Regierungschef für die gegenwärtige Politik mitverantwortlich ist. Valls zog sich aber gut aus der Affäre und bestätigte damit seinen Favoritenstatus bei den Vorwahlen der Sozialisten.
Wie ist die Ausgangslage der sieben Kandidierenden?
Fünf von ihnen waren Minister unter François Hollande und sind damit eng mit der Bilanz des aktuellen Präsidenten verbunden. Das erschwert es ihnen, sich voneinander abzugrenzen. In der ersten TV-Debatte hatte man den Eindruck, dass sie sehr vorsichtig waren und nicht mit gegenseitigen Angriffen den Eindruck erwecken wollten, dass sie nur auf diese Gelegenheit gewartet hätten, um aufeinander herumzuhacken. Beim Thema Terrorismus und Sicherheit stellten sie sich einhellig hinter die Politik Hollandes.
Wenn es einen Sieger gibt, dann am ehesten noch den früheren Premier Manuel Valls
Was tun die sieben Kandidaten, um aus dessen Schatten zu treten?
Sie können auf jeden Fall nicht über diesen Schatten springen. Hollandes Bilanz war in den Fragen der drei angriffigen Journalisten ein Hauptthema. Alle sieben Kandidaten versuchten, sich mehr oder weniger deutlich davon abzugrenzen. Arnaud Montebourg und Benoît Hamont kritisierten vor allem die Arbeitsrechtsreform. Manuel Valls, der bis vor anderthalb Monaten noch Premier war, distanzierte sich am wenigsten von Hollande. Er ist ganz klar der Kandidat der Kontinuität.
Das grosse Handicap bleibt für die Bewerber die Bilanz von Präsident François Hollande.
An den bürgerlichen Vorwahlen im November haben sich über vier Millionen Menschen beteiligt. Werden die Vorwahlen der Sozialisten am 22. Januar denselben Anklang finden?
Das ist zu bezweifeln. Die gegenwärtigen Meinungsumfragen lassen darauf schliessen, dass die Sozialisten zu den Verlieren der Präsidentenwahl gehören werden. Das mindert natürlich das Interesse der breiteren Öffentlichkeit. Und die gestrige Debatte, in der weder neue programmatische Versprechen noch neue Vorschläge gemacht wurden, hat das Interesse an den Vorwahlen wohl auch nicht steigern können. Der künftige Kandidat der Sozialisten gilt heute als Ferner-liefen-Kandidat der Präsidentenwahl und ist auch auf der linken Seite bereits mit Konkurrenten wie Jean-Luc Mélenchon von der Linkspartei und dem unabhängigen Sozialliberalen Ex-Minister Emmanuel Macron konfrontiert. Das grosse Handicap bleibt für die Bewerber jedoch die Bilanz von Präsident François Hollande. Darum kommen alle sieben Kandidaten einfach nicht herum.
Die 7 Kandidaten der Linken
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Bild 1 von 7. Manuel Valls, Parti socialiste – der Favorit. Valls war unter Präsident Hollande zunächst Innenminister, dann ab 2014 Premierminister. Er vertritt in Einwanderungsfragen eine harte Linie, in Wirtschaftsfragen gibt er sich sozial-liberal. Sein grösstes Handicap ist, dass er Teil der Bilanz des unpopulären Präsidenten Hollande bleibt, obwohl er nun den linken Parteiflügel zu versöhnen versucht. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 7. Arnaud Montebourg, Parti socialiste – Monsieur «Made in France» . Montebourg wurde als Wirtschaftsminister von Premierminister Valls aus der Regierung entlassen, weil er öffentlich die Wirtschaftspolitik von Präsident Hollande kritisierte. Montebourg fordert eine expansive Ausgabenpolitik Frankreichs, um die Wirtschaft anzukurbeln. Ausserdem will er staatliche Beteiligungen an Industriebetrieben erhöhen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 7. Benoît Hamon, Parti Socialiste – der Kritiker. Hamon war Staatssekretär und dann Bildungsminister unter Präsident Hollande. Nach nur einem halben Jahr zettelte er mit Montebourg zusammen einen Streit an in der Regierung über die Wirtschaftspolitik und schied aus der Regierung aus. Als Präsident will er ein Grundeinkommen für alle Franzosen einführen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 7. Sylvia Pinel, Parti Radical de Gauche – die Aussenseiterin. Pinel vertritt bei den Vorwahlen die Partei der Links-Radikalen, der wichtigste Koalitionspartner der Sozialisten. Seit 2016 ist sie deren Parteipräsidentin. Als Staatssekretärin betreut sie das Dossier Wohnbaupolitik, zudem engagiert sie sich stark für die Regionalpolitik. Bildquelle: Reuters.
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Bild 5 von 7. François de Rugy, Parti écologiste – der Grüne. Nach der Spaltung des Grünen Bündnisses (Europe Ecologie Les Verts, EELV) 2015 gründete de Rugy seine eigene Partei, le Parti écologiste. Er ist dem rechten Flügel der Grünen zuzuordnen. Die Spaltung erfolgte, weil der linke Flügel der Grünen die Regierung von Hollande verlassen wollte. De Rugy vertritt eine grün-liberale Politik. Bildquelle: Reuters.
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Bild 6 von 7. Vincent Peillon, Parti Socialiste - der Hollande-Verteidiger. Der EU-Parlamentarier unterrichtete seit seinem Rücktritt als Bildungsminister 2014 als Philosophie-Professor in der Schweiz. Seine Kandidatur ist eine Überraschung. Peillon tritt an, um die Politik von Präsident Hollande zu verteidigen und Kandidat Manuel Valls das Leben schwer zu machen. Bildquelle: Reuters.
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Bild 7 von 7. Jean-Luc Bennahmias, Front démocrate – der Wandelbare. Bennahmias politisierte einmal im Kreise der Grünen und dann bis 2014 in der Mitte-Partei MoDem. Parteien sind für ihn eher ein Mittel zum Zweck. Er könnte als Freund Hollandes auch Mitglied der Sozialisten oder immer noch der Grünen sein. Dann hätte er aber zu viele Unterschriften benötigt, um kandidieren zu können. Bildquelle: Reuters.